Der Bundeshaushalt 2012 kann keinen Beitrag zu Verbesserungen im Bereich Bildung leisten

Rosemarie HeinBundestag

Trotz regelmäßiger Aufstockung des Haushaltes für das Bundesministerium für Bildung und Forschung treten kaum Verbesserungen im Bereich Bildung ein, weil die schwarz/gelbe Regierung die falschen Prioritäten setzt...


Herr Präsident, Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich muss Ihnen sagen: Die Zahlenjongliererei, die wir vorhin vorgeführt bekamen, finde ich einigermaßen erbärmlich. Es geht doch nicht um die Frage, wer es erfunden hat: die CDU oder die SPD; oder waren es vielleicht doch die Schweizer?

(Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir führen keine Urheberrechtsdebatte!)

Es geht um die Zukunftschancen junger Menschen in diesem Land, und dazu sollte der Bildungshaushalt einen Beitrag leisten. Diesen Satz der Ministerin könnte ich glatt unterschreiben, nur leistet der Bildungshaushalt das nicht.

(Heiner Kamp (FDP): Haben Sie denn nicht zugehört?)

Ich kann schon verstehen, dass die Ministerin wenig erfreut gewesen ist über die jüngste Pressemeldung, dass sie nicht wisse, wohin mit ihrem Geld. Nur: Die Zahlen stammen allesamt aus Ihrem Haus, Frau Ministerin. In mehreren Positionen stellt diese Zahlentabelle klar, dass die Auslastung im Haushalt 2011 bis zum 31. Juli deutlich unter 10 Prozent gelegen hat.

(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Sie sollten mal diese Zahlenspielerei lassen!)

Das ist keine Zahlenspielerei, das ist eine Tabelle aus dem BMBF. Wenn man sich anschaut, welche Projekte von dieser geringen Auslastung betroffen sind, dann stellt man fest: Es sind die Prestigeobjekte der Koalition und der Bundesregierung die Bildungsketten, das sogenannte Deutschlandstipendium und der Qualitätspakt Lehre. In all diesen Positionen schaffen Sie lange nicht das, was Sie vorgeben, schaffen zu können. Das kritisieren wir heftig,

(Beifall bei der LINKEN)

und zwar nicht, weil wir diese Projekte nicht schön finden, sondern weil das Geld woanders besser aufgehoben wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden nicht kritisieren, dass Sie an anderen Stellen zum Teil Geld draufsatteln; denn Geld für Bildung wird sehr dringend gebraucht. Insgesamt muss für allgemeine und berufliche Bildung deutlich mehr aufgebracht werden. Trotzdem müssen Sie uns einmal erklären, woraus sich zum Beispiel der höhere Bedarf bei den Bildungsketten ergibt, wenn bis zum 31. Juli kaum etwas abgeflossen ist. Wäre das Geld dann nicht direkt in den Schulen besser aufgehoben, wo man dafür sorgen könnte, dass die Kinder einen Schulabschluss erlangen und dann eine ordentliche Ausbildung erhalten können?

(Beifall bei der LINKEN - Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Dafür ist der Bund gar nicht zuständig!)

Dort aber kommt das Geld doch gar nicht an.

Allerdings hätten wir auch gerne im gesamten Bereich der beruflichen Bildung deutlich mehr Mittel, um die kolossalen Defizite der vergangenen Jahre auszugleichen, allerdings mit einer anderen Zielrichtung. Es gibt zwar für Jugendliche unter 25 Jahren einen Rechtsanspruch auf eine Berufsausbildung, eine Vermittlung in Arbeit oder Beschäftigung oder eine Bildungsmaßnahme. Wer aber bis zum 25. Lebensjahr keinen Berufsabschluss erreichen konnte, ist irgendwann über 25 und wird dann nicht mehr gefördert und hat immer noch keinen beruflichen Abschluss. Etwa 17 Prozent in der Altersgruppe zwischen 25 und 30 Jahren haben keinen beruflichen Abschluss. Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, das größte Fiasko - es hat heute schon mehrfach eine Rolle gespielt - erleiden Sie offensichtlich mit Ihrem famosen Deutschlandstipendium für besonders Begabte. Sie wollten 2010 schon einmal 10 Millionen Euro dafür ausgeben; aber nur 20 Prozent davon sind tatsächlich abgeflossen. Das restliche Geld ist liegen geblieben, Herr Neumann. In diesem Jahr sollen es wieder 10 Millionen Euro sein; aber es wird nicht viel mehr abfließen als letztes Jahr. Trotzdem veranschlagen Sie für das nächste Jahr fast den vierfachen Betrag. Frau Schavan, Ihr Lieblingskind findet keine Abnehmer. Da hilft auch nicht der Aufruf, den wir alle kürzlich per Mail erhalten haben: Private werden aufgefordert, über Stipendien Bildung zu finanzieren, wie es in anderen Ländern üblich sei.

(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Das können Sie machen! Gehen Sie mit gutem Beispiel voran!)

Ich will Sie diesbezüglich gerne mit einer Neuigkeit überraschen, die Sie vielleicht noch nicht kennen: An der Fachhochschule Köthen ist man an solchen Stipendien interessiert. Vor einigen Monaten wandte sich ein Kreistagsabgeordneter aus Köthen mit der Bitte an den Kreistag, doch für die Fachhochschule den Privatanteil in Höhe von 150 Euro für ein Stipendium zu finanzieren, weil man den Betrag selbst nicht aufbringen könne. Vielleicht kennen Sie sich in den Hochschulen nicht aus und wissen nicht, wie schwierig es ist, private Sponsoren für ein solches Stipendium zu finden.

(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Da sind Sie eingesprungen, Frau Hein, stimmt’s?)

Frau Schavan, ziehen Sie daraus die Lehre und lenken Sie die dafür eingeplanten Ausgaben in Höhe von 38 Millionen Euro am besten ins BAföG um. Dann kommt das Geld wenigstens da an, wo es gebraucht wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

All dies zeigt - man müsste noch viel mehr anführen -, wie falsch Ihr Versuch ist, die Verantwortung des Staates für die Bildungsfinanzierung immer mehr aufzugeben und sie in private Hände zu legen. Das tut die Bundesregierung auch beim Bildungs- und Teilhabepaket, das bestenfalls privaten Nachhilfelehrerinnen und -lehrern zugute kommt. Welch ein Armutszeugnis!

(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Das ist doch eine Rede aus dem Handbuch des Kommunismus!)

Es ist überhaupt ein Problem, dass immer mehr Bildungsaufgaben nicht von den Bildungsinstitutionen, die dafür da sind, geleistet werden, sondern von der Bundesanstalt für Arbeit, den Jobcentern, den Sozialämtern usw. Dabei könnte man direkt in den Schulen helfen, wenn man das Geld anders verteilte.

(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Gelder verteilen? Das kennen Sie ja von früher!)

Für Bildung sind bekanntlich die Länder und Kommunen zuständig, die das Geld in aller Regel auch für Bildung ausgeben, wenn sie es denn haben. In meiner Stadt Magdeburg wurden die Mittel aus dem Konjunkturpaket II vorrangig verwendet, um Schulen, Kitas und Kultureinrichtungen zu sanieren. Das Konjunkturpaket II war aber kein Bildungsprogramm.
Damit der Bildungshaushalt des Bundes künftig tatsächlich wieder als „Bildungshaushalt“ bezeichnet werden kann, müsste der Bund in Bildungsfragen wieder mit den Ländern kooperieren können. Dann müssten Bildungsaufgaben nicht über andere Ressorts oder Bundesinstitutionen gesteuert werden; die Mittel könnten direkt in die Bildungsarbeit der Schulen und Hochschulen fließen. Das würde wirklich helfen.

Frau Ministerin, meine Damen und Herren von der Koalition, die Anträge für eine Aufhebung des Kooperationsverbots in der Bildung liegen auf dem Tisch. Die Länder sind überwiegend dazu bereit; alle, die ich frage, wollen das. Die Initiative liegt bei Ihnen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)