Exzellente Lehrerbildung überall sichern - Pädagogische Berufe aufwerten

REDE IM BUNDESTAG – Rosemarie Hein |

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der vorgestern veröffentlichten Studie des Allensbach-Instituts mit dem Titel „Hindernis Herkunft“ kann man einige bedenkliche Befunde finden. Zwei davon will ich einmal nennen.

Zum Ersten: 63 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer finden, dass gute Schülerinnen und Schüler besser zusammen mit anderen guten Schülerinnen und Schülern lernen; aber auch 56 Prozent von ihnen finden, dass schlechte Schülerinnen und Schüler mehr profitieren, wenn sie mit deutlich leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern zusammen lernen.

Der zweite Befund: 58 Prozent der Lehrkräfte an Haupt- und Realschulen meinen, dass sie die Anforderungen in den letzten Jahren senken mussten.

Ich finde das deshalb bedenklich, weil diese Befunde deutlich machen, dass die Qualität schulischer Ausbildung weiter abnehmen wird, wenn wir nichts tun. Dafür gibt es verschiedene Gründe: die Verschlechterung der Lehr- und Lernbedingungen an den Schulen, die Verkürzung der Unterrichtszeit, die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtungen für die Lehrkräfte, zu wenige Lehrkräfte, fehlendes pädagogisches Personal, eine überbordende Bürokratie mit unzähligen Förderprogrammen und einem aufwendigen Berichtswesen, das wenig zur Unterrichtsqualität beiträgt. Eine wesentliche Ursache liegt aber auch darin, dass Lehrende von heute nur unzureichend auf die gewachsenen pädagogischen Anforderungen vorbereitet sind. Der Umgang mit leistungsgemischten Lerngruppen beispielsweise, die Umsetzung von Inklusion in der Schule ‑ Frau Canel hat es eben erläutert ‑ und die Aufnahme gar nicht mehr so neuer pädagogischer Arbeitsformen, wie zum Beispiel Freiarbeit, sind nach wie vor vielen Lehrkräften suspekt. Das ist ihnen deshalb suspekt, weil sie dafür nicht ausgebildet sind. Nun gut, man kann sagen: Von Lehrerinnen und Lehrern kann man erwarten, dass sie sich ein Leben lang fortbilden. Aber auch in der heutigen Lehramtsausbildung finden sich diese Bestandteile eben nicht in ausreichendem Maße wieder.

Die Anträge, die uns heute hier vorliegen, widmen sich diesem Problem. In der Problembeschreibung liegen sie auch sehr dicht beieinander. Nun steht aber die Frage, welche Verantwortung der Bund für die Verbesserung der Ausbildung hat, im Raum. Genau hier scheiden sich die Geister. Lehramtsausbildung ist Ländersache. Obwohl es seit mehr als zehn Jahren Vereinbarungen zur Lehrerausbildung, zur Anerkennung von Abschlüssen, zur Harmonisierung der Ausbildung usw. usf. gibt, unterscheidet sich die Ausbildungspraxis in den Ländern immer mehr voneinander.

Die Unterschiede liegen vor allem in den Inhalten der Ausbildung. So sieht die Ausbildung in elf Bundesländern noch nicht einmal ein Praxissemester vor. In vielen Hochschulen wurden die Ausbildungsbestandteile der pädagogischen Wissenschaften in den letzten Jahren massiv vernachlässigt. Zu wenige widmen sich intensiv der Umsetzung von Inklusion in den Schulen. Aber die heute und in den nächsten Jahren auszubildenden Lehrkräfte werden für etwa 40 Jahre die Qualität der Schulen bestimmen. Darum können wir nicht mehr warten, bis eine Exzellenzinitiative in der Breite angekommen ist und allen Hochschulen zugutekommt. Wir brauchen eine exzellente Lehrerausbildung, heute und jetzt, in jeder Hochschule, die eine Lehramtsausbildung anbietet.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bei dem Beschluss der GWK von vor 14 Tagen wird allerdings deutlich, dass es zwar die Absicht gibt, alle Länder daran zu beteiligen, aber eine Garantie dafür gibt es nicht. Vier Stadtstaaten und Bundesländer haben nur eine einzige Hochschule, die Lehrkräfte ausbildet; da kann es schlecht Wettbewerb geben. In weiteren vier gibt es nur zwei, und die haben nicht immer das gesamte Ausbildungsspektrum. In meinem Bundesland, Sachsen-Anhalt, beispielsweise werden Lehrerinnen und Lehrer für allgemeinbildende Schulen nahezu ausschließlich an der Uni Halle ausgebildet. Bei der Umsetzung der Exzellenzinitiative laufen, wie ich diese Vereinbarung lese, viele Länder Gefahr, am Ende doch nichts abzubekommen.

Wir bleiben dabei, dass eine gute Lehrerausbildung an allen Hochschulen stattfinden können muss. Der Bund hat hier Handlungsmöglichkeiten. Er muss nicht warten, bis das Kooperationsverbot aufgehoben ist, obwohl das sehr helfen würde.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD ‑ Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU): Qualität oder Gießkanne, was wollen Sie?)

Man kann zum Beispiel den Hochschulpakt so ausgestalten, dass er an den Hochschulen auch bei der Lehrerbildung ankommt. Man kann auch einen Pakt für bessere Lehre machen; auch das könnte in der Lehrerausbildung ankommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Möglicherweise reichen dann allerdings die 500 Millionen Euro nicht, die ja auf viele Jahre verteilt werden. Aber das sollte uns eine bessere Lehrerausbildung schon wert sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Canel, ich habe Ihre Rede sehr aufmerksam verfolgt und an einer Stelle auch applaudiert, wie Sie sicher bemerkt haben. Man hat eben gemerkt, dass eine Lehrerin gesprochen hat. Ich frage mich nur: Sind Sie in dieser Regierung oder nicht?

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)