Rede zu Protokoll - Stärken von Kindern und Jugendlichen durch kulturelle Bildung sichtbar machen

Rosemarie HeinBundestag

"Hinter dem blumigen Titel des Koalitionsantrages verbergen sich über weite Strecken beachtliche Einsichten und fast durchgängig richtige Forderungen. Man könnte Ihnen zu diesem Antrag eigentlich gratulieren. Er ist gut. Ich frage mich nur, warum Sie ihn stellen mussten.Vor der Sommerpause zog die Bundesregierung, genauer das Bundesbildungsministerium, ein Programm zur Stärkung kultureller Bildung aus der Schublade. Um immerhin 30 bis 50 Millionen Euro soll der entsprechende Haushaltstitel in den nächsten Jahren aufgestockt werden. So viel erhielten Träger der kulturellen Kinder- und Jugendbildung noch nie. Sie werden sich zu Recht freuen.

Zudem soll dieses Programm gegen Bildungsarmut wirken. Dann hätten wir schon mindestens zwei davon, denn das Bildungs- und Teilhabepaket soll das auch. Wirkt es nicht hinreichend? Oder sind sie erschrocken über die Ahnungslosigkeit des Staatssekretärs, der vor der Sommerpause im Kulturausschuss das Programm zu erläutern versuchte und damit selbst in den Reihen der Koalition Zweifel hervorrief?

Als ich im Sommer auf meiner Tour durch den Wahlkreis bei Vereinen vor Ort nachfragte, ob ihnen das Programm bekannt sei, sah ich Erstaunen. Zum Beispiel das Familienhaus in Magdeburg, kein ganz kleiner Träger, war über den drohenden Geldsegen noch gar nicht im Bilde. Wollten Sie Werbung für die Arbeit der Bundesregierung betreiben? Verständlich wäre das ja bei dem Zank, der sonst aus der Koalition zu hören ist, über das Betreuungsgeld zum Beispiel.

Dann hätten Sie es aber weiter vorn in der Tagesordnung platzieren müssen und nicht versteckt, bei den Reden zu Protokoll. Aber vielleicht haben Sie mit Bedacht den späten Zeitpunkt gewählt, denn der Bewerbungszeitraum ist bereits verstrichen und die Mittel sind auch bereits verteilt, für die nächsten fünf Jahre im Voraus. Was aber soll der Antrag dann noch? Haben Sie Angst, dass es ihnen dort so ergeht wie bei den Mitteln für Teilhabe aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, die vor Ort teilweise andere Finanzierungen durch die Kommunen einfach ersetzen? Oder fürchten Sie sich vor einem bürokratischen Monstrum, das einen Großteil der Mittel auffrisst? Diese Sorge teile ich, insbesondere, wenn ich Ihren Antrag lese. Wie sollen denn nun aber Initiativen vor Ort an dem Programm teilnehmen können? Wie sollen Schulen profitieren? Wie wollen Sie in die Fläche vordringen, wenn vor Ort, wie in der 9 000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Stadt Calbe in meinem Wahlkreis, gerade in diesem Jahr die einzige kulturelle Einrichtung, die Stadtbibliothek – ich habe heute schon darüber geredet – geschlossen wird? Sie brauchen zur Weiterführung der Bibliothek etwa 50 000 Euro jährlich, und die haben sie nicht. Kultur ist eben eine freiwillige Aufgabe, und das heißt für manche Verwaltung und manche Kommunalaufsicht: kann auch wegfallen.

So sehr ich den Verbänden und den kulturellen Akteuren bundesweit den warmen Geldregen gönne: Er ersetzt nicht eine solide Finanzierung von Kultur und Bildung in der Fläche.

Darum: Packen Sie Ihren Antrag wieder ein, die Knete ist verteilt; er kommt zu spät um noch etwas zu ändern."