Bildung für nachhaltige Entwicklung ausbaubar

Rosemarie HeinBildungAllgemeine Bildung

REDE IM BUNDESTAG „Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, das ist ein wichtiges Thema; da sind wir uns einig. Die UN-Dekade ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung‘ ist zu Ende gegangen. Ein Weltaktionsprogramm wurde beschlossen. Es wurde eine Bonner Erklärung verabschiedet, bei der ich übrigens jeden Satz unterschreiben könnte. All das ist schick. Aber schauen wir uns Ihren Antrag an.

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass Nachhaltigkeit drei Dimensionen hat: eine ökologische, eine soziale und eine ökonomische. Doch nur im Zusammenhang aller drei Dimensionen entsteht überhaupt Nachhaltigkeit. Nun hat Frau Benning eben erklärt, dass es jetzt darauf ankomme, das Ganze zu verstetigen. Das ist richtig; das wird auch in der Bonner Erklärung gefordert. Wir würden das auch unterstützen, nur finden wir es in dem Antrag nicht. Es wäre schön gewesen, wenn Sie einmal gesagt hätten, wie denn eine solche Verstetigung aussehen könnte. Im Antrag finde ich dazu keine Idee. Vielmehr scheint es so, als ob Sie damit fortfahren wollen, mit vielen Projekten zu punkten. Wir brauchen aber nicht Masse, sondern Dauerhaftigkeit und Systematik.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will mit drei Beispielen versuchen zu beschreiben, was wir erwartet hätten, was aber leider im Antrag nicht zu finden ist.

Erstes Beispiel. Noch im Bericht von 2013 wurde eine bessere Verankerung des Themas in den Bildungsplänen der Schulen gefordert. Bei Ihnen fehlt dieses Thema nahezu vollständig. Na ja klar, die Zuständigkeit! Wir hätten aber mindestens die Kultusministerkonferenz auffordern müssen, die eigenen Beschlüsse zur Bildung für nachhaltige Entwicklung zu überprüfen und zu erneuern. Die stammen nämlich ebenso wie der Orientierungsrahmen zu globaler Entwicklung aus dem Jahr 2007.

Bildung muss sich verändern; da sind wir uns sicherlich einig. Es ist sinnvoll, bei komplexen Themen der Nachhaltigkeit auch komplex zu arbeiten. Ich gebe ein Beispiel dafür. Ein Ziel könnte sein, dass Kinder und Jugendliche verstehen, dass die billigen T-Shirts vom Wühltisch im Kaufhaus und bei Discountern oft unter dramatisch schlechten Arbeitsbedingungen hergestellt wurden oder dass die heute noch in den südlichen Ländern massenhaft produzierten Bananen mit einer erheblichen Naturzerstörung einhergehen, dass wir hier in Europa eine Verantwortung dafür haben, was im Süden oder im Osten geschieht. Diese Themen könnte man zeitgleich und abgestimmt in Fächern wie Geografie, Geschichte, Mathematik, Chemie, Sozialkunde und Deutsch behandeln. Das könnte zu nachhaltigen Lerneffekten führen. Zur ökonomischen Bildung, die wir immer wieder einfordern, gehört dann aber bitte auch, aufzuzeigen, wer an den Klamotten bzw. den Billigprodukten wie viel verdient. Das könnte nachhaltig sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweites Beispiel. Wer entscheidet eigentlich, welche Projekte für nachhaltige Entwicklung wertvoll sind? Sie wollen eine Nachhaltigkeitsprüfung. Der Sparkassen-Schulservice wurde von der Deutschen UNESCO-Kommission als offizielle Maßnahme in den Nationalen Aktionsplan für nachhaltige Entwicklung aufgenommen. So geadelt wird er leicht den Weg in die Schulen finden, ganz an den für die Zulassung von Lehr- und Lernmittel zuständigen Kultusministerien vorbei. Das machen zahlreiche Unternehmen so. Bei der Suche nach solchen Beispielen bin ich auf diesen Schulservice gestoßen, der unter anderem monatliche Foliensätze bietet: zwölf Themen in einem Jahr, zwei zum Thema Nachhaltigkeit, in den anderen geht es um die Sicht der Wirtschaft auf Themen wie Gerechtigkeit oder Mindestlohn. Da sollten Sie einmal hinschauen; Ihnen wird nicht gefallen, was dort steht. Didaktisch gut aufbereitet sind die Arbeitsblätter zum Thema Mobilität; wegen der Inhalte sträubten sich mir allerdings die Nackenhaare. Kundenwerbung wird nebenbei betrieben. So erfährt man unter dem Mäntelchen der finanziellen Bildung etwas über Onlinebanking und natürlich auch, wie man Depots anlegt. Ich halte dieses Verfahren, das viele Unternehmen betreiben, vor allem die großen, für überhaupt nicht nachhaltig. Das ist nicht das, was wir anstreben sollten, aber es wurde geadelt von der UNESO-Kommission.

Letztes Beispiel. In der Bonner Erklärung wird das Mitspracherecht von Jugendlichen in diesem ganzen Prozess gefordert, und zwar bis in die höchsten Gremien hinein, gegebenenfalls mit einem eigenen Budget. Ich finde das hervorragend. In Ihrem Antrag fehlt das leider, und das ist schade. Ich finde, wenn wir über die jüngere Generation reden, dann müssen wir sie auch einbeziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist schade, dass Sie das alles mit Ihrem Antrag nicht leisten. Das gute Anliegen, die Bildung für nachhaltige Entwicklung voranzubringen, wird so leider nicht umgesetzt. Vielmehr droht es unter der Formulierung BNE, die ich in Ihrem Antrag gefunden habe, zu einer Floskel zu verkommen, was ich bedenklich finde. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung würde dadurch sehr schnell inhaltsleer, und das dürfen wir nicht zulassen.

Weil wir diese Kritik an Ihrem Antrag haben, werden wir ihn zwar nicht ablehnen, uns aber der Stimme enthalten.

Vielen Dank.“

(Beifall bei der LINKEN)