Meister-BAföG - ein kleiner, aber nicht ausreichender Schritt in die richtige Richtung
27.02.2016 – REDE IM BUNDESTAG | Vielen Dank, Herr Präsident. ‑ Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Feist, ich werde einmal Ihre Arbeit übernehmen und nicht über Sachsen, sondern über das Gesetz und die hier vorliegenden Anträge reden.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In der Tat ist dieses, kurz als Meister-BAföG bezeichnete Gesetz ein wichtiges Instrument für berufliches Fortkommen, vor allen Dingen für jene Menschen, die ihren Berufsweg im Rahmen der dualen Berufsausbildung begonnen haben;
(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Habe ich gesagt!)
denn dies ist in der Regel Voraussetzung, nach diesem Gesetz gefördert zu werden. Es war hohe Zeit, die Förderhöhen aufzustocken und die Förderbedingungen zu verbessern. Dem wird das Gesetz allerdings, trotz der Nachbesserungen im Ausschuss, die wir überhaupt nicht geringschätzen wollen, nur teilweise gerecht. Wie schon in der Debatte zum Studierenden-BAföG müssen wir Ihnen sagen, dass die Anpassungen einfach nicht reichen.
(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Ach, Quatsch!)
Sie nehmen nicht hinreichend Bezug auf die veränderten, gestiegenen Lebenshaltungskosten, und das muss sich ändern.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit der Gesetzesnovelle - das will ich einräumen - haben Sie versucht, den veränderten Berufsbiografien gerecht zu werden, und das ist auch notwendig. Berufswege verlaufen heute mitunter anders, sind nicht mehr ganz so geradlinig: Schule, Ausbildung, Beruf, eventuell später eine Weiterbildung. Darum ist es richtig, über die Formen der Weiterbildung auch eine Neu- oder Umorientierung im beruflichen Werdegang durch Aufstiegsfortbildung möglich zu machen.
Die Öffnung des Meister-BAföG für eine Ausbildung nach dem Bachelorstudium ist ein solcher Weg. Aber warum nur dieser eine, und warum nur in diese Richtung? Warum kann ein Meister für ein späteres Bachelorstudium in der Regel keine Förderung bekommen? Warum können nicht auch Masterabsolventen eine Förderung nach diesem Gesetz erhalten? Dass dies nicht möglich ist, wurde auch in der Anhörung im Ausschuss kritisiert. Wir brauchen viel mehr Flexibilität auch in der Bildungsförderung, wenn der berühmte Slogan von der Durchlässigkeit im Bildungssystem, die so sehr sinnvoll ist, nicht zu Makulatur verkommen soll.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Also, das ist ja nun wirklich unfassbar!)
- Regen Sie sich nicht so auf! Ich habe schon recht.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Das stimmt nicht, Frau Hein!)
Das war auch der Grund, warum wir zu dem Gesetzentwurf einen Antrag gestellt haben: Uns ist es wichtig, die Durchlässigkeit in der Bildung zu sichern und die bestehenden Förderlücken zwischen beruflicher Bildung und Studium zu schließen. Das heißt eben, dass die Förderung gleichwertiger Bildungsgänge sich nicht wechselseitig ausschließen darf. Das heißt auch, dass die Förderbedingungen, zum Beispiel zwischen Studierenden-BAföG und Meister-BAföG, angepasst werden müssen. Studierende an einer Hochschule und Lernende an Technikerschulen befinden sich doch oft in vergleichbaren Lebenssituationen. Wieso sollen sie unterschiedlich behandelt werden?
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen. Wieso ist ein Kind in beiden Systemen unterschiedlich viel wert? Studierende erhalten nur einen Kinderzugschlag von 130 Euro. Wer Meister-BAföG erhält, bekommt 235 Euro Kinderzuschlag
(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Das sind zwei unterschiedliche Systeme, Frau Hein!)
- genau das ist ja das Problem -
(Beifall bei der LINKEN)
und noch 130 Euro für Betreuungskosten. Da wird mit zweierlei Maß gemessen, und das ist nicht richtig. Wir fordern, dass auch für Studierende mit Kind gleiche Bedingungen gelten.
Noch einmal etwas zur Durchlässigkeit: Wenn jemand nach einer Ausbildung an einer Fachschule oder im Rahmen eines Meisterlehrgangs keine Förderung nach Studierenden-BAföG mehr bekommt - das ist im Moment so -, ist ein Masterstudiengang in der Regel auch nicht möglich; denn da wird der Bachelor vorausgesetzt. Diese Fördersystematik ist unlogisch, und das muss sich ändern.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Begründung des Ministeriums, die ich kürzlich erhielt, dass es sich hier schließlich um zwei gleichwertige Bildungsgänge handele und man nicht zwei gleichwertige Bildungsgänge gleichzeitig oder nacheinander fördern möchte, ist eigentlich obsolet geworden;
(Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Ja, genau!)
denn mit diesem Gesetz öffnen Sie das. Sie schaffen nämlich die Möglichkeit, Meister-BAföG nach einem Bachelorstudium zu erhalten.
(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Das ist doch auch gut!)
- Ja, sicher. Wir müssen es bloß auch in umgekehrter Richtung möglich machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich weiß, dass diese Probleme nicht mit diesem Gesetz zu lösen sind;
(Martin Rabanus (SPD): Voilà!)
aber ich finde, wir müssen hier grundsätzlich neu nachdenken.
Dann die Sache mit der Erzieherinnen- bzw. Erzieherausbildung. Für die Erzieherinnen- bzw. Erzieherausbildung und im Übrigen auch für die Altenpflegeausbildung wurde das Gesetz, über das wir heute diskutieren, vor einigen Jahren geöffnet. Das war durchaus sinnvoll, aber nicht zu Ende gedacht. Wir alle hatten die Petition eines jungen Mannes auf dem Tisch, der Erzieher werden wollte. Diese Ausbildung dauert drei Jahre. Anders als bei den sonstigen Ausbildungen nach diesem Gesetz, gehört ein beträchtlicher Teil Praxis zur Ausbildung. Insgesamt umfasst die praktische Ausbildung den Zeitwert eines ganzen Ausbildungsjahres, und das muss auch so bleiben; doch diese Zeit war nicht förderfähig. Nun hoffte der Petitionsausschuss, wir würden das mit diesem Gesetz ändern. - Das ist nicht geschehen. Praktika sind immer noch nicht förderfähig.
Ich will das kurz erklären: Erziehungsfachkräfte werden für die Arbeit mit jungen Menschen im Alter von 0 bis 27 Jahren ausgebildet. Um da annähernd die nötige Praxis zu erhalten, sind praktische Erfahrungen in mindestens zwei Tätigkeitsfeldern oder zwei Aufgabengebieten oder zwei Einsatzstellen notwendig. Mit einem bezahlten Anerkennungsjahr, das es in einigen Bundesländern gibt, kann man das eigentlich nicht erreichen.
Sie haben nun das Gesetz für einen Ausbildungsweg geöffnet, für das es eigentlich nicht vorgesehen war. Nun müssen Sie aber auch die Bedingungen so gestalten, dass die Unterschiede nicht zulasten der Auszubildenden gehen, dass sie dieses Risiko nicht alleine tragen müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie machen die Tür zwar ein wenig auf, aber nicht ganz. Sie ermöglichen die Förderung, wenn eine Ausbildungsdichte in Vollzeitform von 70 Prozent erreicht wird, also 70 Prozent der Unterrichtsstunden müssen Präsenzstunden sein. Das reicht aber doch nicht, wenn mindestens ein Drittel der Ausbildung Praxis sein soll; das sagt uns die Prozentrechnung. Das können auch die Länder nicht lösen, wie Sie sich das so vorstellen.
Bei aller Unterschiedlichkeit der Ausbildungswegen in den Ländern: Dort haben sie erst im vergangenen Jahr eine Vereinbarung getroffen, an die sich jedes Bundesland hält. In der Vereinbarung wurde festgehalten, dass ein Drittel praktische Ausbildung sein muss. Das ist vorgeschrieben, man kann es sich nicht aussuchen. Man bekommt dafür in der Regel auch bei integrierten Ausbildungen kein Geld. Dort werden die Praxisabschnitte nämlich in die anderen Abschnitte einbezogen.
Wir haben Ihnen nun einen Vorschlag gemacht, dessen Umsetzung niemandem wehgetan hätte. Damit hätte man aber das Problem für die Auszubildenden gelöst. Man kann pflichtig vorgeschriebene Praktika einfach dem Vollzeitunterricht gleichstellen, und schon wäre die Kuh vom Eis.
(Beifall bei der LINKEN)
Man muss auch keine Angst haben, dass damit irgendwelche Lücken oder Schlupflöcher geschaffen würden, die andere ausnutzen. Man kann in dieser Zeit etwaige Einkommen gegenrechnen. Man kann das bezahlte Praktikumsjahr von der Regelung ausnehmen; da braucht man ja auch keine Unterstützung.
Mit den von uns vorgeschlagen Änderungen wäre eine Lösung möglich gewesen. Wir haben im Vorfeld versucht, das mit Ihnen zu klären. Das hat leider nicht geklappt. Ich gebe zu, die Gewerkschaften waren da auch nicht gerade hilfreich.
(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Ja!)
Die haben nur die duale Ausbildung im Blick und wissen offensichtlich nicht, wie eine Erzieherinnen- bzw. Erzieherausbildung tatsächlich funktioniert. Ich finde, dass das ein bisschen schade und auch schwierig ist, weil wir gerade in diesem Bereich einen sehr hohen Fachkräftebedarf haben.
(Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Aber das können doch die Länder regeln, wenn sie wollen!)
- Nein, sie können das nicht regeln. Sie haben es geregelt. Sie sagen: Ein Drittel der Ausbildung ist praktische Ausbildung, und Punkt. - Wir aber sagen: Das ist euer Pech, dann bekommen die keine Förderung. - Das ist doch das Problem.
(Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Ach was!)
Geben Sie endlich Ihren Tunnelblick auf! Achten Sie darauf, was um Sie herum passiert. Wir geben Ihnen heute noch einmal die Gelegenheit, das entsprechend zu korrigieren. Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht. Sie haben also noch einmal eine Chance. Stimmen Sie also unserem Antrag zu, dann sind wir fast rundum glücklich!
(Beifall bei der LINKEN)
Eine abschließende Bemerkung möchte ich zum Antrag der Grünen machen: Ein Instrument, das für die berufliche Weiterbildung - und nur für diese - gedacht ist,
(Hubertus Heil (Peine) (SPD): So ist es!)
kann die Probleme der allgemeinen Weiterbildung nicht lösen, so wichtig eine Lösung wäre. Sie verweisen auf die Bildungszeit PLUS, aber damit lösen wir die Probleme auch nicht. Wir brauchen ein Weiterbildungsfördergesetz und ein umfassendes Bildungsfreistellungsgesetz. Beide scheitern bislang an den Grenzen der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Darum werden wir uns bei Ihrem Antrag der Stimme enthalten.
Das Meister-BAföG werden wir nicht blockieren,
(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) - Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Das ist schön von Ihnen! Das ist sehr schön!)
weil wir finden: Es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Unsere Forderungen halten wir aber aufrecht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)