Verfahrene Situation in der Bildung bleibt bestehen

REDE IM BUNDESTAG „Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Glauben ist es bei mir so eine Sache: Ich glaube nicht jedem.

Was Sie gesagt haben, Frau Ministerin, kommt mir ein bisschen vor wie das Pfeifen im Walde. Es gibt gar kein Kooperationsverbot? Aha.

Ich frage mich nur, worüber wir die ganzen letzten fünf Jahre, seit ich im Bundestag bin, am laufenden Band gestritten haben. Immer wenn wir einen Antrag vorgelegt haben, in dem es um Bildungsfinanzierung ging, wurde uns gesagt: Das geht nicht. Wir haben doch das Kooperationsverbot; dafür sind die Länder zustän­dig.

Das war wirklich so. Deshalb denke ich heute, ich bin im falschen Film. Ist das alles nicht mehr wahr?

Warum um alles in der Welt wollen wir dann heute das Grundgesetz ändern, und wofür? Das müssen Sie mir schon erklären.

Klar, Sie wollen Artikel 91 b des Grundgesetzes än­dern und nun auch die Zusammenarbeit im Bereich von Wissenschaft und Lehre erlauben. Aber ebenjener zi­tierte Professor Löwer hat auch gesagt: Alles, was Sie danach können, konnten Sie bisher auch schon, wenn auch über befristete Pakte.

Nun frage ich mich: Was wird jetzt anders? Ich habe ein großes Problem damit, dass Sie sagen: Das wird jetzt alles viel besser.

Ich verstehe auch die Hochschulvertreter. Sie glauben Ihnen nämlich tatsächlich. Sie glauben, dass sie jetzt mehr Geld und mehr Verlässlichkeit bekommen.

Auch die Länder werden das so konnotieren, in der Hoffnung, dass sie nun endlich die Grundfinanzierung der Hochschulen besser gestalten können. Möglicher­weise werden alle Länder, auch diejenigen, in denen wir mitregieren, dieser Grundgesetzänderung im Bundesrat zustimmen. Ich verstehe das auch. Aber das heißt nicht, dass wir unsere Kritik daran aufgeben. Ich finde, dass hier kein Erfolg zu vermelden ist.

Wir kritisieren vor allem drei Punkte:

Erstens. Der gesamte Bereich der nichtakademischen Bildung bleibt außen vor, von der Kita bis zur Weiterbil­dung. Da tun Sie gar nichts. Sie haben natürlich recht: Das ist nicht erst seit 2006 so. Das ist wohl wahr!

Zweitens. Es sollen nur Vorhaben von überregionaler Bedeutung gefördert werden. Wir haben gerade in der Anhörung gehört, wie auslegungsbedürftig das ist und wie lange man sich darüber streiten kann.

Drittens. Die Länder müssen einstimmig entscheiden; sonst gibt es gar kein Geld. Das heißt, ein einziges Land kann eine vernünftige Regelung für alle anderen blockie­ren. Das ist unbefriedigend. Das reicht uns nicht.

Deshalb haben wir einen Änderungsantrag einge­bracht, der diese Kritikpunkte und keine anderen zu hei­len versucht. Ich sage es Ihnen gleich: Wenn Sie diesem Antrag zustimmen, bekommen Sie auch unsere Zustim­mung zur Grundgesetzänderung; das ist es uns wert. Das ist dann ein Schritt in die richtige Richtung. Anderen­falls ist es das nicht.

Wie gesagt, das, was Sie nach der Grundgesetzände­rung finanzieren wollen, können Sie schon jetzt finan­zieren, zum Beispiel Hochschulpakte und die Exzellenz­initiative. Da drängt sich doch der Verdacht auf, dass es lediglich um eine Entfristung solcher Pakte geht und nicht um neue Möglichkeiten der Grundfinanzierung der Hochschulen. Genau genommen ist das auf Seite 2 des Gesetzentwurfs sogar zu lesen. Da steht nämlich – ich zitiere –: „Durch die Grundgesetzänderung ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen.“ Aha! Es geht also nicht ums Geld, wie die Ministerin schon gesagt hat. Al­lein das Grundgesetz zu ändern, gefährdet natürlich noch nicht die schwarze Null. Wenn Sie aber nicht mehr Geld in das System stecken, ist das Ganze völlig überflüssig. Dann kann man das alles schon jetzt machen. Dann brauchen wir keine Grundgesetzänderung.

Schlimmer allerdings ist, dass sich Bund und Länder keinen Millimeter bewegen, um die verfahrene Situation in anderen Bildungsbereichen zu ändern. Vor allem bei der Schulbildung bleibt alles beim Alten.

Ich will Ihnen nur ein einziges Beispiel dafür nennen: Gestern Abend wurde eine Studie zur Medienbildung in den Schulen vorgestellt. In der anschließenden Podiums­diskussion haben die Vertreter der Koalition im Regen gestanden. Als sie gefragt wurden, wie der Bund die Me­dienbildung befördern wolle – das ist ein wichtiges Thema auch im Koalitionsvertrag –, antworteten sie, dass sie ein Papier erarbeiten und mit Sicherheit am Thema dranbleiben wollten. Tatsache ist aber: Ohne eine Änderung des Grundgesetzes können Sie eben nicht da­für sorgen, dass zum Beispiel alle Schulen mit WLAN ausgestattet werden; denn den Schulbau dürfen Sie nicht mitfinanzieren. Sie können auch nicht für kostenlose Lehr- und Lernmittel sorgen. Sie können nicht einmal ei­nen Pakt mit den Ländern zum Ausbau der Medienbil­dung in den Schulen schließen; denn dann müssten Sie Schulen finanzieren. Das ist Ihnen aber verboten.

So wird Ihr groß angekündigtes Papier nichts weiter sein als weiße Salbe, also Medizin ohne Wirkung. Das wird nichts helfen. Deshalb bleiben wir hartnäckig bei der Forderung nach einer umfassenden Grundgesetzän­derung für den gesamten Bildungsbereich. Wir haben in Erwartung Ihres überschaubaren Abstimmungsverhal­tens einen Entschließungsantrag vorgelegt; denn nach der Grundgesetzänderung ist vor der Grundgesetzände­rung. Es muss weitergehen. Wir haben Ihnen aufge­schrieben, wie es besser gehen kann. Im Übrigen ist mir völlig klar, warum Sie diese Debatte in die frühen Abendstunden gelegt haben: Es soll niemand merken.

Ich befürchte, dass das auch besser so ist.

Vielen Dank.“