Haushaltsrede 2010 zum Einzelplan 30 (BMBF)

Zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen in der Bundesrepublik für Bildung und Forschung ausgegeben werden. Das scheint ein ehrgeiziges Ziel, liegt Deutschland doch noch immer unter dem OECD-Durchschnitt.

 

Anrede,

Zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen in der Bundesrepublik für Bildung und Forschung ausgegeben werden. Das scheint ein ehrgeiziges Ziel, liegt Deutschland doch noch immer unter dem OECD-Durchschnitt.

Gleichzeitig wird landauf, landab die hohe Abhängigkeit des Bildungszuganges von der sozialen Herkunft beklagt, was offensichtlich auch die Bundesbildungsministerin umtreibt. Darum begründet sie einen Großteil der Finanzposten im Bildungshaushalt eben mit dieser Absicht, Nachteilsausgleich für die Schwächeren leisten zu wollen.

Doch bleiben wir zunächst bei den Zahlen: Zehn Prozent im Bundesdurchschnitt und man will den Ländern helfen, dieses Ziel zu erreichen. Schon diese Formulierung ist bezeichnend.

Ich möchte Ihnen zur Illustration nur drei Zahlen nennen: elf, dreiundzwanzig, drei.

Nein, meine Damen und Herren von der FDP, das ist nicht das neue Steuerkonzept der LINKEN, das sind die Bildungsanteile in aktuellen Haushalten in Kommune, Land und Bund. Mehr als 11% wendet meine Stadt Magdeburg in diesem Jahr für Bildungsfinanzierung auf (ohne Kinderbetreuung), über 23% das Land Sachsen-Anhalt, aus dem ich komme, (mit Kinderbetreuung) und gerade ca. 3% stehen im Bundeshaushalt zur Verfügung.

Der Haushalt des BMBF umfasst knapp 11 Mrd. €. Aber allein für das geplante Steuersenkungspaket will die Bundesregierung ab 2011 mehr als doppelt soviel ausgeben. Oder aber: um jährlich 3 Mrd. will der Bund die Bildungsausgaben erhöhen, aber acht mal soviel sollen die Steuergeschenke 2011 ausmachen. Man darf gespannt sein, wie dieses Steuerpaket ausfällt. Oder aber, lassen Sie es einfach und geben Sie dieses Geld in die auskömmliche Finanzierung von Bildung. Das wären dann zusammen 27 Mrd. mehr pro Jahr und damit wären wir den nötigen Zielzahlen ein ganzes Stück näher gerückt.

Drei Milliarden zusätzlich in die Bildung aber 24 Mrd. Steuergeschenke, wer dann noch davon spricht, dass mit dem Haushalt sozialen Ungerechtigkeiten im Bildungssystem entgegengewirkt werden soll, der hat ein komisches Verständnis von sozialer Gerechtigkeit.


Aber auch 10 Milliarden sind ja nicht Nichts und man kann damit auch was Vernünftiges machen. Schauen wir uns das also in einigen Details an:

Für den Nachteilsausgleich ist der Bundesregierung etwas Seltsames eingefallen: Ein Nationales Stipendienprogramm. Das hört sich zunächst gut an. Aber ein Leistungsstipendium soll es sein, ganz nach dem Motto “Leistung muss sich wieder lohnen“.

Aber die Chance auf ein Leistungsstipendium hat nur, wer die Hürde des Zuganges zum Studium erst einmal geschafft hat. Ich frage mich, wer sich so etwas ausdenkt in Ihrem Ministerium. Der muss keine Vorstellung davon haben, wie schwer der Zugang zum Studium in einer Familie ist, die von Hartz IV oder wenig mehr lebt. Da scheitert man oft schon an der ersten Hürde, der der einfachen Finanzierung eines Studiums.

Von Vorteil mag das Angebot für jene sein, die sich voll auf ihr Studium konzentrieren und damit realistisch auch Leistung erbringen können, also für Studierende mit finanzkräftigem Elternhaus, die möglichst nicht oder nur wenig zusätzlich jobben müssen.

Dann allerdings wirkt das Programm für den Bund fast wie eine Gelddruckmaschine: denn der Bund finanziert gerade einmal 75€, also ein Viertel des monatlichen Stipendiums, weitere 75€ kommen von den Ländern und die Hälfte aus privater Hand. Für den Bund nenne ich das eine ordentliche Rendite, praktisch aber ist es ein weiterer Einstieg in die Privatisierung der Bildungskosten.


Besser aufgehoben allerdings wären die für dieses Programm bereitgestellten Mittel im BAföG für Schülerinnen und Schüler oder Studierende, darauf gibt es wenigstens einen Rechtsanspruch.

Doch beim BAföG machen Sie bis heute auch im Höchstsatz kein auskömmliches Angebot. Notwendig ist hier nicht nur die entschiedene Aufstockung der Beträge, sondern auch die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten und die Beendigung der Rückzahlungspflicht. Das alles wäre wirklicher Nachteilsausgleich.

Das Stipendienprogramm ist es nicht.


Oder nehmen wir den Berufsbildungsbereich, den die Bundesministerin gern das Flaggschiff des deutschen Bildungswesens nennt. Dafür gibt es sogar noch Bundeszuständigkeiten. Anfang April droht der nächste Berufsbildungsbericht. Wie die wenigen Vorabmeldungen schon erahnen lassen, wird er uns den Spiegel vorhalten.

Nicht nur dass 1,5 Millionen junger Menschen zwischen zwanzig und dreißig Jahren keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, wir werden wohl erstmals mit belastbaren Zahlen über die so genannte Bugwelle konfrontiert, also mit der Zahl jener Jugendlichen, die nach der Schule keinen Ausbildungsplatz erhalten haben und über mehrere Runden in Warteschleifen nach wie vor auf eine vollqualifizierende berufliche Ausbildung warten.

(Berufsschullehrer wissen davon zu berichten, dass manche Jugendliche länger an ihren Berufsschulen ausharren müssen, als sie je die allgemeinbildende Schule besucht haben.)

Der Haushalt der Bundesregierung wirkt bei der beruflichen Bildung wie eine Notfallambulanz. Mit Übergangsmaßnahmen, Projekten und Sonderprogrammen wird am Mangel herumgedoktert, ohne ihn zu beheben. Weil die Bundesregierung keine konjunkturunabhängige Ausbildungsfinanzierung auf den Weg bringt, muss sie mit neuen Sonderprogrammen versuchen zu reparieren, was so kaum zu reparieren ist.

Selbst das neu geschaffene Sonderprogramm für Ausbildungsplätze in strukturschwachen und von der Wirtschaftskrise besonders betroffenen Regionen ist mit 30 Mio. Euro mager ausgestattet. (Auch wenn man das auslaufende und das neue Sonderprogramm zusammenrechnet, landet man mit 65 Mio. Euro noch deutlich unter dem Niveau des alten Sonderprogrammes Ausbildung Ost aus dem Jahre 2008.)


Ganz peinlich wird es, wenn man auf die Felder schaut, bei denen die Bundesregierung seit der Föderalismusreform nichts mehr zu sagen hat.

Lassen Sie mich nur zwei Beispiele anführen:

  1. Sie planen lokale Bildungsbündnisse. Dagegen ist nichts zu sagen. Für die Öffnung von Schule sicher eine feine Sache. Sie aber wollen dezidiert leistungsschwache Kinder und Jugendliche unterstützen. Mit Förderunterricht, sagen Sie. Individuelle Förderung aber ist der ureigene Auftrag von Schule. Wenn sie diese nicht leistet oder nicht leisten kann, bedarf es anderer Überlegungen als der Finanzierung privater Anbieter.<//font><//font><//font><//font><//font><//font>

  2. Für die Sicherung der Nachhaltigkeit des Ganztagsschulprogrammes haben Sie gerade einmal 6,3 Millionen € eingeplant. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wie viel Geld Länder und Kommunen ausgeben müssen, um dauerhaft gute Ganztagsschule zu organisieren? Was soll denn mit gut 6 Millionen bundesweit finanziert werden? Vielleicht Besichtigungsreisen? Dafür würde es reichen.<//font><//font><//font><//font><//font><//font>

Ja, aber das Kooperationsverbot, werden Sie rufen. Das ist schon richtig und ich bleibe dabei: Das Kooperationsverbot war der schwerste bildungspolitische Fehler in der jüngeren Geschichte. Wenn man mehr vom Schlechten tut, wird es doch nicht gut. Wir sind hier doch nicht in der Mathematik, wo Minus mal Minus Plus ergibt.

Frau Schavan scheint das eingesehen zu haben, wie ihrer Rede auf der Didacta vorgestern zeigt. Darum kommt unser Antrag zur Rücknahme des Kooperationsverbotes vielleicht gerade recht. Wir finden, Bildung muss als Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen begriffen werden, für die alle drei Ebenen gleichermaßen Verantwortung haben.

Und an dieser Stelle schließt sich der Kreis: elf, dreiundzwanzig, drei. Das ist heute die Verteilung der finanziellen Leistungen zwischen den Ebenen. Wir finden: eine Gemeinschaftsaufgabe sieht anders aus.


- Es gilt das gesprochene Wort -