Recht auf Anerkennung muss Praxis werden

REDE IM BUNDESTAG – Rosemarie Hein | „Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über den ersten Bericht der Bundesregierung zu dem im April 2012 beschlossenen Anerkennungsgesetz. Die umfassende Beschreibung kann ich mir sparen; das hat der Staatssekretär eben getan.

Menschen mit im Ausland erworbenen Abschlüssen haben nach diesem Gesetz einen Rechtsanspruch auf ein Verfahren zur Überprüfung der Gleichwertigkeit ihrer Abschlüsse. Es wird auch ein Zeitrahmen festgeschrieben. Sie haben allerdings keinen Rechtsanspruch auf Anerkennung; ich bitte, diesen Unterschied mit zu bedenken. Wenn man denn die Anerkennung bekommt, könnte man damit in Deutschland auch eine der Qualifikation entsprechende Beschäftigung aufnehmen. Ich lasse einmal beiseite, dass das Anerkennungsgesetz schon in § 1 des Gesetzestextes mit dem Mangel am Arbeitsmarkt begründet wird und nicht mit dem Respekt vor den Fähigkeiten zugewanderter Menschen und ihren Lebensperspektiven hier in diesem Land.

„Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über den ersten Bericht der Bundesregierung zu dem im April 2012 beschlossenen Anerkennungsgesetz. Die umfassende Beschreibung kann ich mir sparen; das hat der Staatssekretär eben getan.

Menschen mit im Ausland erworbenen Abschlüssen haben nach diesem Gesetz einen Rechtsanspruch auf ein Verfahren zur Überprüfung der Gleichwertigkeit ihrer Abschlüsse. Es wird auch ein Zeitrahmen festgeschrieben. Sie haben allerdings keinen Rechtsanspruch auf Anerkennung; ich bitte, diesen Unterschied mit zu bedenken. Wenn man denn die Anerkennung bekommt, könnte man damit in Deutschland auch eine der Qualifikation entsprechende Beschäftigung aufnehmen. Ich lasse einmal beiseite, dass das Anerkennungsgesetz schon in § 1 des Gesetzestextes mit dem Mangel am Arbeitsmarkt begründet wird und nicht mit dem Respekt vor den Fähigkeiten zugewanderter Menschen und ihren Lebensperspektiven hier in diesem Land.

In der Regel nach drei Monaten, bei Ärzten nach vier Monaten, soll es eine Entscheidung geben; eine angemessene Verlängerung soll nur in komplizierten Fällen möglich sein. Was ist denn aber mit der ukrainischen Ärztin, die sich an uns gewandt hat und seit über einem Jahr auf eine Entscheidung wartet? Was ist am Medizinstudium in der Ukraine so schwer vergleichbar, dass neun Monate Verlängerung angemessen sind?

Und warum kommt es nicht zur Anerkennung ihres Abschlusses, mit der sie endlich in Deutschland in ihrem Beruf arbeiten könnte? Neun Monate nach Antragstellung befand die zuständige Stelle, dass es Defizite gebe und Arbeitszeugnisse aus dem Heimatland nachgereicht werden müssen - nach neun Monaten! Sie lagen zu diesem Zeitpunkt aber schon einige Monate vor. Da muss man sich doch - Verzeihung! - veralbert vorkommen.

Bis zum Ende des Jahres 2012 wurden rund 11 000 Anträge - wir haben die Zahlen eben gehört - zur Prüfung der Anerkennung gestellt und rund 7 500 positiv beschieden, vor allem in Gesundheits- und Pflegeberufen. Das klingt sicherlich erst einmal nach einer sehr guten Statistik; aber die Bundesregierung rechnet selbst mit 300 000 möglichen Anträgen. Da wäre es schon sehr schön gewesen, diese Debatte vielleicht einen oder zwei Monate später zu führen, wenn wir die Zahlen, die im November veröffentlicht werden sollen, schon haben.

Denn wenn wir erst nächstes Jahr im April wieder über diese Zahlen diskutieren, dann reden wir über alte Zahlen und können überhaupt nichts über die Fortschritte sagen. Wenn es sofort 300 000 Anträge gegeben hätte, dann hätte ich verstanden, wenn die Behörden ein wenig ins Schwimmen gekommen wären; aber so ist die Zahl von 7 500 beschiedenen Anträgen für mich doch ein bisschen ernüchternd.

Seit Ende Juni dieses Jahres haben nun auch alle Bundesländer eigene Landesgesetze verabschiedet, um landesrechtlich geregelte Berufe anerkennen zu können, wie zum Beispiel die Berufe der Lehrerin oder des Lehrers bzw. der Erzieherin oder des Erziehers. Die Umsetzung in den jeweiligen Ländern läuft jedoch höchst unterschiedlich. Eine einheitliche Anerkennungspraxis in Deutschland ist kaum zu erkennen, möglicherweise auch gar nicht zu erwarten, wenn man die unterschiedlichen Qualifikationswege und Anforderungen in den einzelnen Bundesländern bedenkt. Der Bundesregierung ist das offensichtlich bekannt; denn der Staatssekretär hat sich eben recht kritisch geäußert. Auch im Bericht ist angemerkt, dass der Stand bei der Vereinheitlichung des Vollzugs unbefriedigend sei.

Bis alle Menschen ihre im Ausland erworbenen Abschlüsse - wenn sie es wollen - hier in Deutschland anerkannt bekommen haben - wenn es denn möglich ist -, ist es noch ein weiter Weg. Es ist auch eine Frage der Kosten. Die Kosten für das Anerkennungsverfahren variieren zwischen den Bundesländern und den unterschiedlichen Berufsarten teilweise erheblich. Im Kammerbereich zum Beispiel bewegen sich die Gebühren für eine Anerkennung zwischen 100 und 600 Euro; das ist im vorliegenden Bericht auch aufgeführt. Dieser Unterschied ist aber doch nicht durch einen unterschiedlichen Aufwand zu erklären. Darüber hinaus steht zu befürchten, dass die Kosten für eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung sowie für die Analyse von Qualifikationen noch weitaus höher liegen. Das ist kein Anreizsystem. Das schreckt vielmehr ab.

Wenn, wie die frühere Bundesministerin, Frau Schavan, sagte, die Anerkennung der Abschlüsse „eine Frage der Gerechtigkeit und des Respekts vor der Qualifikation von Menschen“ sei, dann muss am Gesetz und an der Anerkennungspraxis noch heftig gearbeitet werden.

Wir brauchen nicht nur ein Recht auf ein Verfahren, sondern auch ein Recht auf Anerkennung. Wir brauchen bezahlbare und vergleichbare Gebühren für die Anerkennung ebenso wie für die notwendigen Nachqualifizierungen.

Der DGB hat heute eine Pressemeldung herausgegeben, in der er eine gebührenfreie Anerkennung und Nachqualifizierung fordert. Mit Blick auf § 1 des Anerkennungsgesetzes stelle ich fest: Das ist angemessen; denn es geht um den deutschen Arbeitsmarkt und weniger um die Interessen der Betroffenen. Kosten- bzw. Gebührenfreiheit ist also angemessen.

Vielen Dank.“