Berufsbildungsbericht 2017 – kein Grund zum Jubeln
17.05.2017 – REDE IM BUNDESTAG | Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen!
Frau Kollegin Wanka, Sie haben vorhin gesagt, dass sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt stabilisiert hat, und Sie haben das als einen Erfolg dargestellt. „Stabilisiert“ ist die beschönigende Umschreibung der Tatsache, dass sich eigentlich nichts zum Besseren bewegt. Ich könnte die Zahlen aus dem Berufsbildungsbericht 2014 zitieren. Sie würden es nicht merken.
Die Allianz für Aus- und Weiterbildung ist Ende 2014 ins Leben gerufen worden, um die erkannten und zugestandenen Defizite auf dem Ausbildungsmarkt zu beseitigen. 20 000 Ausbildungsplätze mehr sollten innerhalb eines Jahres zur Verfügung gestellt werden. Jetzt sind zwei Jahre vorbei, und es sind gerade einmal 5 000 gewesen.
Nicht einmal 700 betriebliche Ausbildungsverträge mehr als 2014 wurden abgeschlossen - und das bei etwa 500 000 Ausbildungsverträgen. Dafür ist die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber, die bis zum 30. September keinen Ausbildungsvertrag abschließen konnten, wie die Jahre zuvor etwa bei 80 000 anzusetzen. 185 000 junge Menschen haben sich vor dem Jahr 2016 schon einmal beworben, und 298 000 befinden sich wieder im Übergangsbereich. Auch wenn man zugestehen muss, dass darunter eine große Zahl zu uns gekommener geflüchteter junger Menschen ist - das will ich gerne eingestehen -, ist die Sockelzahl nach wie vor fix, und es geht nicht wirklich etwas voran. Wie man diese Bilanz loben kann, erschließt sich mir nicht.
Ich sehe vielmehr viele junge Menschen, die sich ihren Wunsch nach einer guten Berufsausbildung nicht erfüllen können. Darum hört sich die Pressemeldung der Allianz für Aus- und Weiterbildung aus dem März dieses Jahres auch ein bisschen wie das berühmte Pfeifen im Walde an. Sie haben das mit „Duale Ausbildung hat Zukunft!“ überschrieben. Ja, sicher, aber nur, wenn die Unternehmen endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und sich auch an der Ausbildung von Fachkräften beteiligen. Die Zahl der Unternehmen, die ausbilden, ist aber weiter gesunken. Nur noch jeder fünfte Betrieb bildet überhaupt aus.
Das Einzige, was seit Jahren in beachtlicher Weise wächst, ist die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze. Inzwischen sind es 43 000. Die Jugendlichen seien nicht ausbildungsreif, sagen viele Betriebe. Ich weiß eigentlich nicht, was das soll.
Es gibt bundesweit 329 Programme, die Menschen bei der beruflichen Ausbildung unterstützen sollen. Doch die wenigsten erreichen eine Flächenwirkung. Selbst das hochgelobte Programm für Berufseinstiegsbegleitung ist nicht für eine flächendeckende Versorgung vorgesehen, wie wir jüngst der Antwort der Bundesregierung entnehmen konnten. Wen wundert es da, dass junge Menschen auf dem Weg zum Beruf verzweifeln und es eine große Anzahl Erwachsener gibt, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben? Fast ein Viertel der Ausbildungsverträge wird aufgelöst; in der Gastronomie ist es sogar fast jeder zweite.
All diese Zahlen, die das Bundesinstitut für Berufsbildung Jahr für Jahr kritisch und akribisch aufrechnet, sind eigentlich ein Skandal.
Das können noch so viele Allianzen nicht richten. Frau Ministerin, ein Pfad ist keine Garantie. Wir brauchen endlich einen einklagbaren Rechtsanspruch auf einen Ausbildungsplatz und eine verlässliche Ausbildungsfinanzierung. Daran müssen sich alle Branchen und alle Unternehmen beteiligen; denn Fachkräfte brauchen sie irgendwann alle.
Außerdem muss endlich Schluss damit sein, dass künftige Pflegekräfte, Hebammen, Physiotherapeuten und auch Erzieherinnen ihre Ausbildung selber finanzieren müssen und dann noch nicht einmal eine Ausbildungsvergütung erhalten. Ein Skandal ist es auch, dass selbst bei den dualen Berufen die Ausbildungsvergütung teilweise bei gerade einmal 300 Euro im Monat liegt, was nur durch eine Mindestausbildungsvergütung zu beenden ist.
Es muss etwas für die Verbesserung der Ausbildungsqualität getan werden. All das könnte im Berufsbildungsgesetz besser geregelt werden. Darum ist es völlig unverständlich, warum sich die Koalition und die Bundesregierung weigern, das Berufsbildungsgesetz endlich dahin gehend zu novellieren. Darum haben wir im Bundestag einen Antrag vorgelegt, der schon an den Ausschuss überwiesen wurde. Er wird dann im Zusammenhang mit diesem Bericht beraten werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen Sie endlich aus den Puschen! Machen Sie Nägel mit Köpfen, statt auf weitere Appelle zu setzen oder sich auf Allianzen zu verlassen, die offensichtlich nichts bringen.
Vielen Dank.