Schulsozialarbeiter sollten eine Selbstverständlichkeit werden.

Vollständige Fassung des Interviews aus "heind.direkt 6" mit der Leiterin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung in Sachsen-Anhalt, Sylvia Ruge

Schulsozialarbeit hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf, Schulsozialarbeit im Jugendhilferecht des SGB VIII als Regelleistung neu zu verankern und finanziell abzusichern. Sylvia Ruge - Leiterin DKJS - Regionalstelle Sachsen-Anhalt - im Interview über Schulsozialarbeit.

Silvia Ruge:
"Sachsen-Anhalt will wirkungsvoll dafür sorgen, dass Schülerinnen und Schüler erfolgreich in der Schule lernen können und die derzeit hohe Quote an sogenannten "Schulversagern" drastisch reduziert wird. Darum gibt es seit 2008 das Landesprogramm "Schulerfolg sichern!" des Kultusministeriums Sachsen-Anhalt. Es wird kofinanziert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und gemeinsam mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung als zentrale Koordinierungsstelle im Land Sachsen- Anhalt umgesetzt.

Über 200 Schulsozialarbeiter/innen, vorrangig an Sekundarschulen und Berufsbildenden Schulen, unterstützen momentan Schüler/innen dabei, einen Schulabschluss zu erwerben. Begleitet und unterstützt wird ihr Einsatz von regionalen Netzwerkstellen, dem Schulkollegium und der zentralen Koordinierungsstelle."

Was sind Ihre Ziele als Koordinierungsstelle?

"Als zentrale Koordinierungsstelle arbeiten wir eng zusammen mit Schulsozialarbeitern, Netzwerkstellen sowie mit Trägern der Jugendhilfe, mit Schulen, dem Ministerium, dem Landesschulamt und der wissenschaftlichen Begleitung. Wir tragen Sorge dafür, dass die unterschiedlichen Akteure gemeinsam an einem Strang ziehen: Schulerfolg für alle Kinder.

Wir entwickeln im steten Austausch mit Praktikern Faktoren für Schulerfolg und beraten mit diesem Wissen Schulen und Träger. In Fortbildungen lernen Lehrkräfte und Schulsozialpädagogen, wie sie Kinder gemeinsam besser fördern können. Wir multiplizieren gute Beispiele und Methoden u.a. zu Themen wie Übergänge oder Elternarbeit und unterstützen die Entwicklung regionaler Strategien."

Was kann Schulsozialarbeit konkret leisten?

"Schulsozialarbeiter zeigen Schülern Wege auf, verschiedenste Konfliktlagen zu meistern und den Ursachen, die ihnen das Lernen in der Schule erschweren, zu begegnen - seien es Mobbing, gesundheitliche Problemen, familiäre Belastungen, Versagensangst, Perspektivlosigkeit oder Überschuldung. Als geduldige Zuhörer finden sie die starken Seiten, die Talente und liebenswerten Eigenschaften der jungen Menschen und ermutigen sie in ihrem Weg.

Schulsozialarbeiter binden Eltern z.B. in Elterncafés aktiv und wertschätzend ein, so dass sie nicht nur über Noten sondern auch über die einzigartigen Stärken ihrer Kinder im Bilde sind.

Oftmals holen sich Lehrkräfte Rat bei ihnen, um Schüler in ihrem Entwicklungsprozess besser zu verstehen und auch deren Lebenswirklichkeit stärker im Unterricht zu berücksichtigen.

14 regionale Netzwerkkoordinatoren in unserem Programm bauen stabile Kooperationen zwischen Schulen, Behörden, Beratungsstellen, Eltern und Betrieben auf. Diese sind allesamt wichtige Partner der Schulsozialarbeiter."

Was müssen Schulsozialpädagogen können?

"Die Schulsozialarbeit baut vor allem auf vertrauensvolle Beziehungen zu Schülern, Lehrkräften und Eltern. In einem Kollegium von 30 bis 70 Personen muss eine einzelne Schulsozialarbeiterin fest in die schulischen Abläufe integriert sein und sich eng mit der Schulleitung abstimmen.

Strategisch müssen sie sowohl im System Schule als auch im System Jugendhilfe kompetent agieren können. Rechtliche Grundlagen, staatliche Unterstützungsmöglichkeiten, Kinderschutz, Gewalt- und Drogenprävention, Berufsorientierung, Demokratiebildung und viele weitere Fachbereiche gehören zu den Grundkenntnissen. Schulsozialarbeiter benötigen ausgeprägte Beratungskompetenzen, Erfahrungen im Projektmanagement und ein großes Methodenreichtum, z.B. die Arbeit mit sportlichen, handwerklichen oder künstlerischen Zugängen."

Was sind die Grenzen dieser Arbeit?

"Noch sind Arbeitsverträge für Schulsozialarbeiter häufig auf Programmlaufzeiten befristet und die Bezahlung ist gemessen an ihrem Aufgabenspektrum, der erforderlichen Fachlichkeit, und der gesellschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit oft zu gering. Eine verlässliche Finanzierung würde einige Grenzen, die der Arbeit heute durch unsichere Rahmenbedingungen gesetzt sind, aufheben.          

Schulsozialarbeiter sollten an Schulen genauso selbstverständlich werden wie der Hausmeister. Denn sie kümmern sich um wichtige "Baustellen"  der Schülerinnen und Schüler! Wenn hier nicht professionell agiert wird, besteht die Gefahr, dass viele Kinder von ihrem "Sorgenrucksack" erdrückt werden und ihre Fähigkeiten niemals ganz entfalten können."



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