Rede zu Protokoll zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: Exzellente Lehrerbildung überall sichern - pädagogische Berufe aufwerten

Die Koalition hat einen Wettbewerb um die beste Lehrerausbildung ausgerufen. Der soll nun richten, was in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in den letzten Jahrzehnten immer mehr ins Hintertreffen gekommen ist. Das ist nicht wirklich verwunderlich angesichts der permanenten Unterfinanzierung der Hochschulen und der immer stärkeren Orientierung der Hochschulen auf die Einwerbung von Drittmitteln für Forschung und Lehre. Lehrerbildung war und ist nicht drittmittelfähig, bringt ihnen kein Geld. An mancher Hochschule wurde die Lehrerausbildung immer mehr das berühmte fünfte Rad am Wagen, es wurden ganze Lehrbereiche abgebaut, Lehramtsstudierende wurden in andere Fachstudiengänge eingeordnet, dort aber lernen sie zwar fachliches Wissen für ihr jeweiliges Unterrichtsfach, aber nicht unbedingt das, was sie an den Schulen brauchen. Auch die Umstellung des Lehramtsstudiums auf das Bachelor-Mastersystem war kein Geniestreich, sondern sie hat die Defizite und negativen Entwicklungen eher verstärkt. Fachdidaktisches Wissen blieb an einigen Hochschulen immer mehr außen vor und zunehmend wurde das pädagogische Fachwissen, das den Beruf des Lehrers, der Lehrerin wesentlich ausmacht, erst in der zweiten Phase der Lehrerausbildung erlernt.
Diese Befunde sind nicht neu, wir kennen sie mindestens seit zwei Jahrzehnten und so wird es hohe Zeit, endlich gegenzusteuern.
Das soll nun nach dem Willen der Koalition durch einen Exzellenzwettbewerb geschehen. Auch wenn nach Aussage des Staatssekretärs gestern in der Fragestunde anders als bei der anderen Exzellenzinitiative ein Drittel der Hochschulen vom Wettbewerb profitieren soll, bleiben zwei Drittel außen vor. Wir brauchen aber in allen Hochschulen, die Lehramtsstudiengänge anbieten, eine exzellente Lehrerausbildung, damit alle Schulen und alle Schülerinnen und Schüler davon profitieren können. Mit einem solchen Wettbewerb, wie ihn die Koalition ausgerufen hat, steht zu befürchten, dass die Schere zwischen guter und eniger guter Ausbildung weiter auseinander geht, dass ganze Generationen von Lehramtsstudierenden abgehängt werden und in ihrem Studium auch in den nächsten Jahren eben nicht die nötigen professionellen Voraussetzungen für ihre berufliche Tätigkeit erhalten werden.
Angehende Lehrerinnen und Lehrer von Hochschulen, die eben keine durch den Wettbewerb sanktionierte Anerkennung einer exzellenten Ausbildung aufweisen können, werden dann vorrangig in Ländern eine Anstellung bekommen, die nicht so viel zahlen können wie die reichen Länder, während an Exzellenzhochschulen ausgebildete Lehrkräfte eben von den besser situierten Ländern mit Kusshand genommen werden.
So mutet es denn schon eigentümlich an, und man fragt sich ob es gnadenlose Ahnungslosigkeit ist oder bodenlose Überheblichkeit, wenn mein Kollege Florian Hahn aus Bayern völlig abenteuerlich in seiner Rede der vergangenen Woche mutmaßt, dass die unterschiedlichen Lehrerausbildungen für die unterschiedlichen PISA-Ergebnisse in den einzelnen Bundesländern verantwortlich seien. Hat er vielleicht schon einmal etwas von den unterschiedlichen sozialen Hintergründen von Familien gehört und ihre Auswirkungen auf die Bildungsergebnisse von Kindern und Jugendlichen? Das kann man tatsächlich in den PISA-Studien nachlesen. Das andere nicht!
Guter, professioneller Unterricht und ein gutes Schulklima sind aber schon eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen von Bildung. Aber guter zeitgemäßer Unterricht kann heute weder mit dem Handwerkszeug des vergangenen Jahrhunderts überall gewährleistet werden noch mit den Defiziten, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in die Lehramtsausbildung eingeschlichen haben.
Darum haben wir unseren weiter gehenden Antrag heute eingereicht und hoffen, dass die einseitige Orientierung auf einen Exzellenzwettbewerb durch viele mit den Ländern abgestimmte und zwischen den Ländern koordinierte Maßnahmen an allen Hochschulen, die eine Lehramtsausbildung anbieten, verändert werden kann.
Dabei konzentrieren wir uns auf drei grundsätzliche Forderungen:
1. Wir wollen eine Qualitätsoffensive in der Lehramtsausbildung, in der die von der Kultusministerkonferenz entwickelten Qualitätsstandards an allen Hochschulen und allen Lehramtsstudiengängen von Anfang an implementiert werden. Wir wollen erreichen, dass pädagogisches Professionswissen einen weit höheren Stellenwert erhält und das gesamte Studium in allen seinen Bestandteilen auf den pädagogischen Beruf ausgerichtet wird. Dazu gehören für uns die aktuellen Ergebnisse der Bildungswissenschaften ebenso wie sozialpädagogische, psychologische, diagnostische Fähigkeiten, die Fähigkeit im Umgang mit heterogenen Lerngruppen und die Umsetzung von inklusiver Bildung, aber auch eine deutlich stärkere Praxisorientierung und Praxiserfahrung von Anfang an.
Wir wollen, dass die schulartenorientierte Ausbildung abgeschafft und durch eine schulstufenbezogene Ausbildung ersetzt wird. Dafür gibt es vor allem pädagogische Begründungen, aber auch die größere Mobilität für den Einsatz von Lehrenden zwischen den unterschiedlichen Schulformen und zwischen den Ländern gebietet eine solche Entwicklung. Zudem muss das Auseinanderdriften der Lehramtsausbildung zwischen den Ländern und in Bezug auf unterschiedliche Schulformen beendet werden. Es ist doch nicht erklärbar warum Grundschullehrerinnen mit einer kürzeren Ausbildung auskommen sollen als beispielsweise Lehrerinnen und Lehrer am Gymnasium. Auch die bisherige zweite Phase der Lehrerausbildung bedarf einer Überprüfung.
Weiterhin hat die Anhörung der Experten am vergangenen Montag im Bundestag bestätigt, dass die Stufung der Lehramtsausbildung in Bachelor und Master überdacht werden muss, weil mit dem Bachelor kein berufsqualifizierender Abschluss erreicht werden kann.
2. Wir wollen, dass der Hochschulpakt zu Bereitstellung von zusätzlichen Studienplätzen auf 600.000 Plätze deutlich aufgestockt wird und darunter ein beträchtlicher Anteil für Lehramtsstudienplätze reserviert wird. Wer sich in ein gestuftes Studium mit Bachelor und Master eingeschrieben hat, soll ein Recht auf den Masterstudiengang haben.
3. Bildung ist ein umfassender Prozess und wenngleich die Schule darin eine zentrale Rolle spielt, findet sie nicht nur in der Schule statt. Pädagogische Berufe gibt es also nicht nur an Schulen und auch in Schulen werden in der Zukunft noch stärker unterschiedliche pädagogische Professionen zusammenarbeiten müssen. Darum ist es uns wichtig, dass nicht nur der Beruf des Lehrers oder der Lehrerin deutlich aufgewertet wird und mehr gesellschaftliche Achtung erhält, sondern alle pädagogischen Berufe von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung, von der Musikschulpädagogin bis zum Sozialarbeiter.
Wir hoffen, dass unser Antrag weiter zum Nachdenken anregt und vor allem in der Koalition zu einem Umdenken führt. Wir freuen uns auf die Beratung in den Ausschüssen.