Rede zu Protokoll zum TOP 21 - "Bildungszusammenarbeit von Bund und Ländern verlässlich weiterentwickeln"

Die Einführung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern in der Bildung war ein Fehler. Projekte, wie das Ganztagsschulprogramm, das bei aller berechtigter Kritik für manche sanierte Schule gesorgt hat, können nun nicht mehr vereinbart werden. Nun macht der Bund erstaunliche Verrenkungen, um doch noch irgendwie in die Bildung hineinzuregieren. Bildungsketten, Berufseinstiegsbegleiter etc. werden erfunden, um die schlimmsten Auswüchse einer verfehlten Bildungspolitik von Bund und Ländern zu kaschieren, sogar Umwege über die Bundesanstalt für Arbeit werden nicht gescheut, um Geld für die Bildungsbeteiligung Benachteiligter locker zu machen.

Anrede

niemand ist unfehlbar. Aber wenn einer einen Fehler gemacht hat und das erkennt, sollte er ihn korrigieren.

Die Einführung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern in der Bildung war ein Fehler. Projekte, wie das Ganztagsschulprogramm, das bei aller berechtigter Kritik für manche sanierte Schule gesorgt hat, können nun nicht mehr vereinbart werden. Nun macht der Bund erstaunliche Verrenkungen, um doch noch irgendwie in die Bildung hineinzuregieren. Bildungsketten, Berufseinstiegsbegleiter etc. werden erfunden, um die schlimmsten Auswüchse einer verfehlten Bildungspolitik von Bund und Ländern zu kaschieren, sogar Umwege über die Bundesanstalt für Arbeit werden nicht gescheut, um Geld für die Bildungsbeteiligung Benachteiligter locker zu machen. Da wird manches zum bürokratischen Monstrum und läuft an den für Bildung Zuständigen vorbei. Dabei wäre es so einfach: mehr Geld in Schulen und Kindereinrichtungen, für Volkshochschulen und andere Träger der Erwachsenenbildung und natürlich in die berufliche Weiterbildung. Letzteres kann durchaus zumindest teilweise durch die Bundesagentur für Arbeit verantwortet werden. Aber das alles passiert nicht, jedenfalls nicht durch den Bund – er darf ja nicht – und zu wenig durch Länder und Kommunen – die können nicht mehr.

Darum hat DIE LINKE schon im März beantragt, das Kooperationsverbot aufzuheben.

Nun wagt sich eigentlich fast niemand mehr, die Aufkündigung der Zusammenarbeit in Bildungsfragen gut zu heißen, aber es hat auch niemand den Mut, die notwendige Grundgesetzänderung in Angriff zu nehmen.

Solange reicht es aber auch nicht, immer auf´s Neue einzuklagen, dass man 7% des Bruttoinlandsproduktes in die Bildung stecken und – gleich wie viele Milliarden jährlich – mehr ausgeben will. Uns sind die Instrumente für´s Ausgeben abhanden gekommen und eine neue Verteilung der Geldströme zwischen Bund, Ländern und Kommunen, die eine bessere Finanzierung der Bildungsinfrastruktur möglich machen würde, ist nicht in Sicht. Außerdem sind 20 Milliarden wohl zu gering bemessen. selbst die Hans-Böckler-Stiftung geht von 37 Milliarden Euro aus.

Aber das Problem liegt tiefer.
Die jüngste PISA-Studie war noch nicht richtig veröffentlicht, da tönte es aus dem Süden des Landes: die Nordländer versauten den Durchschnitt. Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, weder geht es hier um den Durchschnitt, noch sollte man sich damit zufrieden geben. Bildungspolitisch verliert die Bundesrepublik als Ganzes und jede einzelne Schülerin und jeder einzelne Schüler, der oder die sich nicht ausreichend Bildung aneignen kann. Dem stehen aber noch andere Dinge im Wege als die mangelhafte Ausfinanzierung des bundesdeutschen Bildungssystems.

Neulich erklärte mir eine junge Frau aus einer Besuchergruppe, sie steht kurz vor dem Abitur, dass sie aus Bayern in ein anderes – nördlicher und östlicher gelegenes – Bundesland gezogen sei und dort einen Vorteil und einen Nachteil für sich verspürte. Der Vorteil: die Fremdsprachenausbildung war in Bayern intensiver. Der Nachteil: in Chemie fehlten ihr zwei vollständige Schuljahre an Unterrichtsstoff. Der Grund: in Bayern wird Chemie erst von der 9. Klasse an unterrichtet, in Sachsen-Anhalt bereits ab Klasse 7. Wer für sein Abitur die zweite Fremdsprache braucht, hat Pech, wenn er nach einem Umzug die begonnene Sprache nicht weiterführen kann, weil die neue Schule sich auf andere Fremdsprachen konzentriert. Beim Abitur kommt es nämlich nicht darauf an, ob man die Fremdsprache beherrscht, sondern ob man drei Jahre dem entsprechenden Unterricht beigewohnt hat. Die Liste solcher Unmöglichkeiten ließe sich fortsetzen.

Ein Zentralabitur, bei dem alle bundesweit die gleichen Aufgaben lösen, wird das nur noch verschlimmern. Dabei gibt es inzwischen für jedes Fach einheitliche Bildungsstandards, in denen akribisch genau aufgelistet wird, welche Fähigkeiten und welche Wissenskomplexe am Ende eines Bildungsganges erreicht werden müssen. Das eigentlich müsste reichen, um Vergleichbarkeit herzustellen.

Im bundesdeutschen Bildungssystem sind aber Vereinbarungen, die ein halbes Jahrhundert alt sind, wichtiger als ein vielfältiges und hohes Bildungsniveau. Die Bildungspolitiker und die bildungsinteressierte Lobby der Betuchten achten peinlich genau darauf, dass ihnen keines der überkommenen Privilegien verloren geht. Dagegen scheint kein Kraut gewachsen. Fast verschämt werden darum alle möglichen Förderinstrumente entwickelt, weil man ja nicht als unsozial gelten will.

Nun haben Bildungsforscher und Autoren der PISA-Studie diesem System eine ziemliche Abfuhr erteilt. Aber ob Bewegung in die Sache kommt? Ich fürchte, mit einer noch ausgeprägteren Bildungsberichterstattung wird man da nicht viel ausrichten, weil der Wille zum Umsteuern nicht vorhanden ist. Das ginge nämlich auch mit den vorhandenen Instrumenten. Aber es geht nicht in diesem System. Ein Beispiel dafür ist der Ansatz der Inklusion. Das scheint zum neuen Modewort zu verkommen. Jeder benutzt es, kaum einer weiß, was das ist. Inklusion meint alle. Mädchen und Jungen, mit und ohne Behinderung, mit und ohne Migrationshintergrund, aus allen sozialen Milieus. Inklusion, die nicht auch im Gymnasium stattfindet, geht nicht, das ist Exklusion. Wenigstens die Gymnasiasten werden ausgeschlossen aus der neuen Form des Lernens. Wer – wie die SPD – es also schon für einen Fortschritt hält, Haupt- und Realschule zusammengeschlossen zu haben, der hat von Inklusion noch überhaupt nichts verstanden.

In dem ausführlichen Forderungsteil, hat die SPD übersehen, dass es auch bei den Lehrerinnen und Lehrern zu dramatischen Engpässen kommen wird, wenn nicht mehr Lehrkräfte ausgebildet werden. Darum hat DIE LINKE im Sommer ein Fachkräfteprogramm „Bildung und Erziehung“ beantragt, das könnte man zwischen Bund und Ländern sogar vereinbaren. Vielleicht wäre ja das ein Anfang für weitergehende Vereinbarungen, die endlich dem ganzen Bildungssystem und allen Lernenden in allen Ländern der Bundesrepublik zugute kommen.