Rede Rosemarie Hein auf dem Ostermarsch 2011 in Hillersleben

Die Ostermärsche haben in diesem Jahr zu ihren Ursprüngen zurückgefunden: vor mehr als 60 Jahren war es der Protest gegen den Einsatz von Atomwaffen, der diese Friedensbewegung anwachsen ließ. Sie ist seit dem nicht mehr wegzudenken aus dem Gewissen des Volkes.

Im diesem Frühjahr 2011 verbinden sich die Proteste gegen die Nutzung der Atomenergie mit den Protesten gegen den Krieg in Afghanistan. Hinzu gekommen ist der Bombenkrieg in Libyen.

Hier in der Colbitz-Letzlinger Heide wird Krieg geübt. die sogenannte asymetrische Kriegführung, also der Krieg zwischen ungleichen Gegnern, wobei der eine von vornherein überlegen ist. Also so wie in Afghanistan. Darum wurde – zum Üben – auch ein afghanisches Dorf auf dem Übungsplatz nachempfunden. Es muss schließlich alles echt aussehen.

„Mit dem Gefechtsübungszentrum Heer auf dem Truppenübungsplatz Altmark ist eine effektive, kostenwirksame und umweltschonende Einrichtung geschaffen worden, die es ermöglicht, realitäts- und einsatznah auszubilden sowie wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Heeres zu gewinnen.“  (Aus der Internetpräsenz des Truppenübungsplatzes Altmark)
Der Einsatz der Bundeswehr und der ISAF- Truppen in Afghanistan überhaupt haben dem and keinen Frieden gebracht allen Beteuerungen zum Trotz.
„Enduring Freedom“ bringt weder Freiheit noch Frieden. Die Toten werden immer mehr, sowohl unter der Zivilbevölkerung als auch unter den Soldatinnen und Soldaten.  Auch die Zahl derer, die mit traumatischen Erfahrungen aus dem Kriegsgebiet zurückkehren.

Man kann den Frieden nicht herbeibomben. 

Darum kann es nur eine Lösung geben: Der Krieg in Afghanistan muss beendet werden, ohne Wenn und Aber. Der Abzug muss sofort beginnen.

Die Bundesrepublik könnte hier Vorreiter sein, aber sie hat erst kürzlich eine Aufstockung ihrer Präsenz beschlossen und nun auch noch die zusätzliche Beteiligung an AWACS-Einsätze zugesagt, um die USA zu entlasten, die nun versucht, die Freiheit in Libyen herbeizubomben.

Humanitäre Kriegseinsätze nennt man das jetzt.

Ich kann an Krieg nichts Humanitäres feststellen. Im Krieg stirbt immer die Wahrheit zuerst, werden immer Zivilisten Opfer sein, also diejenigen, die man vermeintlich beschützen will.

Das weiß man nicht erst seit der verheerenden Bombardierung eines Tankfahrzeuges in Afghanistan, bei der viele Zivilisten umgekommen sind, darunter viele Kinder.

Und das Schlimmste ist: Um die Opfer hat sich niemand wirklich gekümmert. Auch im Deutschen Bundestag spielen die Opfer unter der Zivilbevölkerung selten eine Rolle.

Das ist eben so passiert. Ausversehen.

 

Im Deutschen Bundestag hat sich heute eine eigenartige Allianz zusammengefunden:

Die Bundesregierung erhält immer noch verlässliche Mehrheiten für Kriegseinsätze der Bundeswehr. Meistens mit Unterstützung von SPD und GRÜNEN.

Während allerdings die Einigkeit beim Afghanistaneinsatz bei SPD und GRÜNEN zu bröckeln beginnt, haben sich beide Fraktionen ziemlich deutlich für eine Beteiligung am Krieg gegen das Gaddafi-Regimes in Libyen ausgesprochen. Sie haben die Bundesregierung für ihre Zurückhaltung sogar kritisiert.  Auch bei der AWACS-Abstimmung gab es viele Ja-Stimmen aus ihren Reihen.

Die Bundesregierung mit ihrer Enthaltung im Sicherheitsrat und ihrer Nichtbeteiligung an der Bombardierung in Libyen einen Schritt in die richtige Richtung getan.

Aber es war nur ein Schritt und ein halbherziger offenbar noch dazu.

Schon für den wurde sie von SPD und GRÜNEN gerügt. Aber sie hat gleich „Kompensationen“ angeboten – nämlich die Aufstockung der Soldaten für AWACS-Einsätze in Afghanistan.

Wir, DIE LINKE, halten Bombardements für die falsche Politik, in Libyen und in Afghanistan.

Wenn man die Befreiungsbewegungen im Norden Afrikas und im gesamten arabischen Raum unterstützen will, muss man anderes tun.

Wer den Völkern beistehen will, darf mit den Diktatoren nicht paktieren.

Aber die Bundesrepublik ist der drittgrößte Waffenexporteur in der Welt.
Allein im Jahr 2009 wurden Waffen im Wert von 2,5 Milliarden € in den Nahen Osten geliefert.
Auch das ist ein Kriegsherd.

Insgesamt beliefen sich die genehmigten Waffenlieferungen in alle Welt seit Jahren zwischen 6 und 8 Milliarden € pro Jahr. Sie exportiert auch an Diktatoren.

Waffenlieferungen gingen u.a. an:

Libyen (83 Mio. €),

Ägypten (144 Mio. €),

das kleine Bahrein (184 Mio. €),

Saudi-Arabien (441 Mio. €) und

die Vereinigten Arabischen Emirate (846 Mio. €).

Selbst Syrien bekam noch eine halbe Million.

Wer den Diktatoren in der Welt in den Arm fallen will, der darf mit ihnen keine Geschäfte machen. Keine mit Waffen, auch keine mit Öl !

Aber genau das hat die Bundesrepublik und das haben die anderen Mächte, die nun entrüstet nach militärischer Gewalt zum vermeintlichen Schutz der Zivilbevölkerung rufen, getan!

Mehr noch: der Sicherheitsrat hat zwar eine Flugverbotszone beschlossen, aber das Geschäfte machen, auch mit Waffen, hat man zunächst nicht eingestellt. Das aber hätte der erste Schritt sein müssen.

So gibt es immer wieder neue Waffen, mit denen Gaddafi die aufständische Bevölkerung drangsalieren kann. An Rückzug denkt dieser Mann nicht.

Dafür denkt man in der EU schon über Bodentruppen nach.

Der heutige Friedensweg aus Anlass der Ostermärsche steht unter dem Motto; den Kriegseinsatz in Afghanistan beenden. Das ist richtig.

Aber wir sehen uns einer neuen Eskalation gegenüber.

Einem neuen Kriegsherd im Norden Afrikas.Im Norden Afrikas und im arabischen Raum sind starke Protestbewegungen entstanden. In Tunesien, Algerien, Syrien, Bahrein, im Jemen und in Libyen. Überall wird um mehr Freiheit und Demokratie gerungen.
Wer diese Bewegungen unterstützen will, darf keinen Krieg führen.Humanitäre Kriegseinsätze gibt es nicht. Es ist immer eine Kette ohne Ende.

In keinem Krieg in diesem jungen Jahrhundert wurden die vorgegebenen Ziele erreicht.

Nicht in Jugoslawien und im Kosovo, nicht im Irak, nicht in Afghanistan, und auch in Libyen wird das nicht gelingen.

Darum muss Schluss sein mit dem Kriege machen und schon  Schluss sein mit dem Kriege üben.

Keinen Krieg führen heißt nicht „Nichts tun“.

- Dazu gehört zunächst ein Waffenexportverbot. Das müsste weltweit gelten.

- den Diktatoren müsste der Geldhahn abgedreht werden, also: kein Öl mehr von ihnen kaufen.

- Bürgerkriegsflüchtlinge müssen aufgenommen werden.

- Humanitäre Hilfe leisten, das heißt nicht Bomben!

Dieser Truppenübungsplatz gilt weltweit als der modernste seiner Art. Er sollte Arbeitsplätze schaffen in der Region – was für eine Perversion!

Arbeit durch Kriegsübungen ?

Für eine zivile Nutzung der Heide wären dauerhaft mehr Arbeitsplätze möglich. Es würden zudem nicht nur die Ostermarschierer in die Heide gelockt, sondern viele Touristen.

Dazu gab es im Land einst große Übereinstimmung.

Ich habe in Vorbereitung auf die heutige Veranstaltung in der Landtagsdokumentation nachgeschaut:

Am 30.4. 1991 hat die PDS-Fraktion und am 16.5. hat die Fraktion Bündnis 90/Grüne im Landtag je einen Antrag für die zivile Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide gestellt. Das war für uns eine Lehre aus der Geschichte.

Ein halbes Jahr später gab es dann einen einstimmigen Beschluss quer durch alle Fraktionen.

Das ist nun zwanzig Jahre her. Die Bundesregierung hat sich über diesen Beschluss hinweg gesetzt. Seit dem gibt es Monat für Monat den friedlichen Protest. Er wird von Jahr zu Jahr wichtiger.

(Es gilt das gesprochene Wort)