Rede Rosemarie Hein auf dem Ostermarsch in Magdeburg

Rede zum Ostermarsch 2012 in Magdeburg

Liebe Ostermarsch-Teilnehmerinnen und Teilnehmer, liebe Magdeburgerinnen

Ich möchte sie alle herzlich begrüßen,
gestern haben die Nachrichten von einer beeindruckenden Aktion berichtet.
Die Stadt Sarajevo hat der Opfer der Belagerung von vor 20 Jahren gedacht. Für jedes Opfer inder Zeit dieser Belagerung von fast vier Jahren wurde ein roter Stuhl aufgestellt, darunter auch kleine Stühle für die Kinder, die unter dem Beschuss durch serbische Truppen ums Leben kamen. Es waren insgesamt 11 541 Stühle für 11 541 ausgelöschte Leben.

Das diesjährige Motto des Ostermarsches – Städte sind keine Angriffsziele – ist eine Reaktion auf die zahllosen zivilen Opfer von Kriegen, auf die heillose Zerstörung von Städten, die noch Jahrzehnte später die Stadtbilder und das Bewusstsein der in ihnen lebenden Menschen prägen.

Auch für Magdeburg ist das von besonderer Bedeutung.

Jedes Jahr am 16. Januar wird in unserer Stadt der verheerenden Zerstörungen gedacht. Sie waren die Folge eines Krieges, der von Deutschland ausgegangen war und vielen Städten in der Welt Zerstörung und Tod von Millionen Menschen gebracht hat. Da ist es schon bezeichnend, dass jedes Jahr die Nazis versuchen dieses Datum für ihre demagogischen Zwecke zu missbrauchen. Und es ist ebenso bezeichnend, dass an einem Tage wie heute zu einer Demo aufgerufen wird, in der man – noch dazu ohne aktuellen Anlass – gegen Kinderschänder demonstrieren will. Wir verstehen diesen Aufruf als einen zu einer Gegendemo zu den Ostermarschaktivitäten, die zum Frieden in der Welt aufrufen.

Das scheinheilige Engagement dieser Demagogen findet unsere Verachtung und auch im kommenden Jahr werden wir uns den rechten Geschichtsverdrehern ideenreich in den Weg stellen.

Diese Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit und den Frieden in der Welt von heute werden wir Deutschen nicht los. Darum ist unser Gedenken in Magdeburg immer verbunden mit der Mahnung, dass von Deutschem Boden nie mehr ein Krieg ausgehen darf.

Aber seit Jahren ist die Bundeswehr wieder in Auslandseinsätzen beteiligt. UNIFIL, UNAMISS, UNAMID, K-FOR, Operation ATALANTA, alle diese Kürzel stehen für Auslandeinsätze deutscher Soldaten. Im Deutschen Bundestag wird den Abgeordneten jährlich mehrmals die Zustimmung für solche Einsätze abverlangt.

Bisher ist sie immer von den Mehrheitsfraktionen erfolgt und auch die Mehrheit der Abgeordneten der SPD hat solche Zustimmung gegeben. DIE LINKE hat sich immer gegen solche Mandate oder ihre Verlängerung ausgesprochen.

Das wird auch so bleiben und meine Hoffnung ist, dass sich auch bei den anderen Fraktionen endlich die Einsicht wächst, dass durch Krieg niemals Frieden erzwungen werden kann. Das Abstimmungsverhalten aller Abgeordneten aus Sachsen-Anhalt können Sie regelmäßig auf meiner Internetseite nachlesen.

Grundlage dafür, dass solche Auslandseinsätze möglich wurden ist eine Verfassungsänderung auf der Grundlage einer veränderten NATO-Strategie, die eben nicht mehr nur auf Verteidigung setzt.

Seit dem Krieg in Jugoslawien hat sich mir ein Wort eingebrannt, das ich vorher nicht kannte: „Kollateralschaden“. Ein Kollateralschaden entsteht, wenn neben oder statt des angestrebten Ziels andere Einrichtungen zerstört, Zivilbevölkerung getötet wird. Die Masse der Opfer dieser Kriege sind in der Folge solcher Kollateralschäden entstanden.

So ist im Krieg in Jugoslawien Belgrad schwer zerstört worden und die Zivilisten in Afghanistan, die sich von einem Tankfahrzeug Benzin holen wollten und die aus der Luft bombardiert worden sind, sind ebenfalls Opfer eines Kollateralschadens.
Nicht beabsichtigt und doch geschehen. Immer und immer wieder leidet die Zivilbevölkerung am meisten unter den Kriegen.

Auch in Syrien, wo ein besessener Machthaber die eigene Bevölkerung zu Zielscheibe brutaler Angriffe macht. Ja, solchen Machthabern muss das Handwerk gelegt werden. Ja, aber nicht durch Krieg. Eine syrische Journalistin war in der Bundestagsfraktion der LINKEN zu Besuch und hat von der schrecklichen Gewalt berichtet, mit der Assad sein Volk drangsaliert. Sie hat uns versichert, dass die Protestbewegung in Syrien einen friedlichen und demokratischen Weg will. In einem Interview bestätigte sie: „Eine militärische Intervention ist keine Lösung. Meine

Hoffnung liegt auf dem Widerstad in Syrien.“ Ihr Mut und ihre Entschlossenheit geben Hoffnung. Dem Volk von Syrien, das gegen seine Machthaber aufgestanden ist, muss unsere volle Solidarität gelten. Städte wie Homs dürfen nicht weiter bombardiert werden.

Die Bürgermeister von inzwischen 5000 Städten in der Welt haben sich vor Jahren zu einer Initiative zusammengeschlossen. „Majors for Peace“ ist eine weltweite Bewegung geworden, die ausgehend von den verheerenden Zerstörungen der Städte Nagasaki und Hiroshima sich das Ziel setzt, bis 2020 eine Ächtung aller Atomwaffen zu erreichen. Die Stadt Magdeburg ist dabei.

„Städte sind keine Angriffsziele“ ist als Motto des diesjährigen Ostermarsches ein Teil dieser Kampagne. Im November 2011 wurde von dieser Bewegung eine neue Petition initiiert, die noch im April laufen und dann im Vorfeld der Nachfolgekonferenz in Wien überreicht werden soll: „PETITION

für eine Beendigung des Zielens mit Atomwaffen auf Städte und die Abschaffung aller Atomwaffen.

Wir, die Unterzeichenden, fordern die EntscheidungsträgerInnen aller Atomwaffenstaaten auf:

• Zielen Sie nicht mit Atomwaffen auf unsere Städte!

• Zielen Sie nicht mit Atomwaffen auf Städte, Orte oder Dörfer, in denen unschuldige Kinder leben!

• Engagieren Sie sich im Einklang mit dem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag und dem Hiroshima-Nagasaki-Protokoll für eine Nuklearwaffenkonvention konstruktiv und in redlicher Absicht für Verhandlungen über die Abschaffung aller Atomwaffen bis zum Jahr 2020!

• Greifen Sie keine Städte oder Nichtkombattanten an, nicht einmal im Krieg!“

Die Petition „Städte sind keine Zielscheiben“ kann heute auch hier unterzeichnet werden.

Ich werde meinen Stadtratskolleginnen und Stadtratskollegen am Donnerstag in der Stadtratssitzung vorschlagen, dass auch sie alle diese Petition unterzeichnen und damit auch den Oberbürgermeister unterstützen, der am 20.3. 2012 die Abschlusserklärung des Treffens der Bürgermeister für den Frieden aus Deutschland unterzeichnet hat. Städte sind keine Zielscheiben!

Atomwaffen müssen geächtet werden! Bundeswehr raus aus Afghanistan!

Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr! Krieg ist kein Mittel der Politik, sondern das Ende von Politik! Das bleiben unsere Forderungen! Danke!