Rede zur Kranzniederlegung in Schönebeck

„Wir Lebenden gruben Tote aus“ titelte der in Rosslau geborene Schriftsteller Bernhard Seeger sein Erlebnis am Ende des zweiten Weltkrieges in Magdeburg. “Ich hatte genug vom Krieg“, so die Erinnerungen des jungen Schriftstellers an das Kriegsende. Diese Einstellung teilte er mit Millionen Menschen auf der ganzen Welt und die gilt bis heute.

„Der Angriff gegen Polen ist nach den für Fall Weiß getroffenen Vorbereitungen am 1.9.39 um 4 Uhr 45 zu führen.“ Mit diesen Worten begann die „Geheime Kommandosache“ Hiltlers. Der Überfall deutscher Truppen auf Polen, heute auf den Tag genau vor 70 Jahren, war der Beginn des bislang verheerendsten Krieges in der Menschheitsgeschichte, des Zweiten Weltkrieges.

Er ging von Deutschland aus und schlug auf Deutschland zurück. Er kostete 55 Millionen Menschen das Leben. Davon 30 Millionen in Europa und 16 Millionen in Asien.
Am stärksten zu leiden hatte die Bevölkerung der Sowjetunion mit 8,6 Millionen Soldaten und 11 Millionen Opfern unter der Zivilbevölkerung.
Der deutsche Terror nach außen wurde vorbereitet und begleitet durch einen Terror nach innen. Dem fielen nicht nur Kommunistinnen und Kommunisten, Sozialistinnen und Sozialisten und viele aufrechte und friedliebende Menschen und Widerstandskämpfer in Deutschland zum Opfer, sondern dieser Terror war geprägt von der singulären Genozid am jüdischen Volk, der Verfolgung von Sinti und Roma, von Homosexuellen und der „Aussonderung“ von Menschen mit Behinderungen.

Deutschland hat mit dem Zweiten Weltkrieg, mit diesem Verbrechen an der Menschheit, schwere Schuld auf sich geladen.
Es ist unfassbar, wenn heute Rechtsextreme die Verbrechen der Nazis leugnen, sie zu rechtfertigen versuchen oder sie auch nur verharmlosen.
Wir stehen heute hier um offen zu bekunden, dass wir die Opfer nicht vergessen, gleich aus welchem Grund und unter welchen Umständen sie den Kriegstreibern zum Opfer gefallen sind. Wir stehen hier auch gegen die Bestrebungen rechtsextremer Kräfte, wieder politischen Einfluss zu erlangen.

Wir werden diese Geschichtsfälschungen nicht hinnehmen.

Wir fühlen uns verpflichtet, die Erinnerung wach zu halten, damit sich so etwas nie wiederholt.

Von deutschem Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen – dieser Satz ist eine Übereinkunft, die Menschen unseres Landes unterschiedlicher politischer Anschauungen, Religionen, Generationen eint.
Deutschland, das war für viele Menschen ein fester Vorsatz, darf keine Kriege mehr führen.

Der Zweite Weltkrieg mündete in den kalten Krieg. Einen Friedensvertrag hat es nie gegeben, dafür aber ein jahrzehntelanges Wettrüsten, das nicht einmal jetzt aufgehört hat, da es die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Blockkonfrontationen nicht mehr gibt.

Auch heute gibt es Kriege auf der Welt und die Bundesrepublik Deutschland ist an Kriegen beteiligt. Ich will das nicht hinnehmen. Darum bin ich heute hier.
Ich fühle mich verbunden mit der Mehrheit in der Bevölkerung. Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung ist nicht einverstanden, dass deutsche Truppen in Afghanistan Krieg führen.

Und der bewaffnete Kampf dort ist Krieg, auch wenn er ein humanitäres Mäntelchen trägt und der Verteidigungsminister Jung bemüht ist zu begründen, warum die Bundeswehr in Afghanistan keinen Krieg führe.
Aber wenn Kinder durch Panzer ums Leben kommen, ist Krieg. Wenn Soldaten in Kampfeinsätzen sterben, ist Krieg.

Die Bundeswehr wird wieder zu einer Einsatzarmee umgebaut. Das ist seit Jahren die neue NATO-Doktrin. Kriege aber lösen nicht ein einziges Problem in der Welt, sie schaffen aber viele neue, und vor allem sie kosten Menschenleben.

Darum kann am heutigen Tage und in der Zukunft der Satz nicht oft genug wiederholt werden: Von deutschem Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen. Und darum bekräftige ich: die Bundeswehr muss raus aus Afghanistan und sie darf sich an Kriegseinsätzen im Ausland nicht beteiligen. Deutsche Außenpolitik muss aktive Friedenspolitik werden. Diese Forderung werden wir nicht nur am Weltfriedenstag in jedem Jahr wiederholen.

Dr. Rosemarie Hein